Hattingen. . Die Selbsthilfegruppe Polyneuropathie geht an gegen die Nervenerkrankung, klärt auf über vielfältige Ursachen und freut sich über Zulauf.
Viele sind von einem Arzt zum anderen gelaufen. Obwohl gerade das Laufen ihr Problem ist. Und selbst wenn sie ihre Krankheit dann benennen können – die Polyneuropathie –, sagt sie Medizinern oft nichts. In der Selbsthilfegruppe tauschen Betroffene ihre Erfahrungen aus, stützen sich gegenseitig, bauen sich auf und gehen manchmal auch mit Galgenhumor an gegen brennende Füße, Ameisenkribbeln und Taubheitsgefühl.
Gruppenmitglieder bis Mitte 80
Ins Leben gerufen hat die Gruppe Joachim Müller, das „Küken“ mit seinen 58 Jahren, wie ihn die anderen nennen. Es sei keine Alterserkrankung, klärt er auf, sondern könne auch schon mit 40 auftreten. Die hier zusammenkommen, sind bis Mitte 80. Wenn Vorträge anstehen, sind es auch schon mal 40 Personen. Im Moment diskutieren acht lebhaft im Konfiraum des Ev. Gemeindezentrums Augustastraße über Medikamente und mehr, ihre Sorgen und wo im wahrsten Sinn des Wortes der Schuh drückt.
Vom Fuß über den Unterschenkel arbeiten sich Schmerzen, Krämpfe oder auch Lähmungserscheinungen nach oben. Private Schicksalsschläge tun ein übriges, die Nerven, die bei Polyneuropathie vielfach erkrankt sind, nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Eine Frau muss nicht nur den Tod ihres Mannes verarbeiten, sondern macht sich auch Sorgen um den Enkel, der seit acht Jahren im Wachkoma liegt.
Im Moment sitzen sie gemütlich zusammen, reden sich die Köpfe heiß. Niemand hätte sich träumen lassen, dass er bei Unternehmungen nach der nächsten Sitzgelegenheit ober Möglichkeit zum Abstützen Ausschau halten würde. Gehhilfen lehnen an der Wand. Ekkehard Künzel hat einen Notsitz für zwischendurch mitgebracht. Alles Stützen, die nicht dem Alter, sondern der Krankheit geschuldet sind.
Diagnose und Behandlung sind keine einfache Sache angesichts der vielen möglichen Ursachen. Sie reichen von Diabetes mellitus über Medikamente, Infektionen, Zeckenbisse, genetische Faktoren, Autoimmunkrankheiten, Chemotherapie oder Rheuma bis zum regelmäßigen Alkoholkonsum.
Nicht viele stehen im Bus auf
Reaktionen der Umwelt machen das Leben mit der Krankheit nicht leichter. Wer sich mit dem Gehen schwer tut, „wie auf Watte“ läuft, den Boden unter den Füßen nicht spürt, findet in einem schwankenden Bus kaum Halt. Doch manches Gruppenmitglied hat erlebt, dass höchstens ältere Menschen einen Sitzplatz im Bus frei machen. Angesprochene Jugendliche wollten den Schwerbehindertenausweis sehen, von „Friedhofsgemüse“ war die Rede.