Hattingen. Die drei Schulleiter an Hattingens Gymnasien und Gesamtschule schätzen den Wert der antiken Sprache – vor allem fürs strukturierte Denken. Als Pflicht-Wissen für viele Studiengänge sei das Große Latinum aber ein „alter Zopf“, der abgeschnitten gehört.

Hätte sich Publius Quinctilius Varus vor 2004 Jahren mit seinen Legionen nicht so schrecklich verlaufen – wir sprächen heute wohl alle eine Variante des Lateinischen. Die Sprache Caesars und Ciceros wäre nicht bloß Wahlpflicht-Fach, und der klassische Kanon als Pflicht-Fach für viele Studienabschlüsse stünde erst recht nicht zur Debatte.

Immerhin, in diesem Punkt sind sich die Leiter der drei zur Hochschulreife führenden Schulen in Hattingen einig: „Latein vermittelt ganz viel Struktur und Systematik“, wie Gerd Buschhaus vom Gymnasium Holthausen sagt. Dr. Heinz Niggemann, sein Schulleiter-Kollege vom Gymnasium Waldstraße, nennt die vermeintlich „tote“ Sprache „Teil der europäischen Kultur und Grundlage der Grammatik“. Und Dr. Elke Neumann meint: „Wer Lust dazu hat, soll Latein lernen, nur nicht unter Karriere-Aspekten“, so die Gesamtschul-Leiterin im Nachsatz, „sondern für das strukturierte Denken.“

Auch dies gilt für alle drei Oberschulen: Latein ist durchaus gefragt bei Gymnasiasten und Gesamtschülern. Wenn für die sechste Jahrgangsstufe die Wahl zwischen Französisch und der romanischen „Ursprache“ ansteht, dann ist das Verhältnis an allen drei Lehranstalten ausgewogen. „Kein unbeliebtes Fach“, sagt Gerd Buschhaus. „In der Oberstufe lernen sogar zwei Drittel Latein.“

An seinem Gymnasium in Holthausen unterrichten auch die meisten Altphilologen: sechs an der Zahl – „und beinahe hätten wir auch einen Leistungskurs Latein gehabt. Es waren zwei Schüler zu wenig“, bedauert Gerd Buschhaus. Ihm als Biologen sei die Sprache im Studium sehr nützlich gewesen. Dennoch sieht auch er in der „Sonderstellung“ eines für viele Studienfächer verpflichtend nachzuweisenden Latinums einen „alten Zopf“. Und alte Zöpfe gehören eigentlich abgeschnitten.

Dr. Heinz Niggemann, sein Kollege vom Gymnasium Waldstraße, vermutet dahinter gezielte Methode: „Für ein wissenschaftliches Germanistik-Studium braucht man kein Latinum – fürs Lehramt schon.“ Mit dieser Vorauswahl wollten die Universitäten „die Zahl der Bewerber abmindern“, wie Dr. Niggemann meint. Solange aber das Latinum für viele Studiengänge nachzuweisen ist, sei es sicher in den Massenkursen mit über hundert Teilnehmern an den Hochschulen „sehr schwer nachzuholen“, wie der Schulleiter meint.

Am entschiedensten spricht sich Dr. Elke Neumann für jene modernen Sprachen aus „die später auch im Beruf behilflich sind“, wie die Anglistin sagt. Sie verweist auf den Schüler-Ansturm, den die Gesamtschule in Welper gerade mit einem neuen Japanisch-Angebot erlebt. Eigentlich war’s zunächst nur für die Oberstufe gedacht“, so Dr. Neumann. „Aber wir mussten es auch für die Neuner öffnen.“