Kemnader See. . Mal laut, mal leise, mal ungestüm, mal nachdenklich – anderthalb Stunden lang begeisterte Bosse am Sonntagabend beim Zeltfestival Ruhr.

Am Tag als Kurt Cobain starb, war Axel Bosse 14 Jahre alt. „Am Tag als Kurt Cobain starb, lagst du in meinen Armen“, singt er in seinem Charthit „Schönste Zeit“. Es ist die Zeit von Pubertät und erster Liebe, von Mofa, Walkman und Nirvana. Es sind die 90er und die meisten der begeisterten Zuhörer, die Bosse am Sonntagabend auf seine Reise zurück in diese schönste Zeit genommen hat, denken in diesen Minuten wohl an ihre eigene Jugend zurück.

Gut 90 Minuten lang gaben Bosse und seine Band Vollgas. Und der 33-Jährige wäre wohl noch länger geblieben, hätte er nicht dem altehrwürdigen Joe Cocker im Nachbarzelt Platz machen müssen. „Ich neben Joe Cocker – wenn ich das meinem Vater erzähle, denkt er, ich habe es endlich geschafft“, witzelte Axel „Aki“ Bosse.

Schon nach den ersten paar Liedern waren Jeans und T-Shirt komplett durchgeschwitzt, aber das hinderte den 33-Jährigen nicht daran, bis zum letzten Akkord kreuz und quer über die Bühne zu hüpfen, zu tanzen und zu springen. Und vor ihm die gut 1200 Fans, die nicht nur die Songs des aktuellen Albums „Kraniche“, sondern auch die der vier vorherigen mitsingen konnten.

Von wegen „Nischenmusik“, Bosse ist längst massentauglich, hebt sich mit seinen Melodien und Texten aber wohltuend vom Rock-und-Pop-Einerlei ab. Mal laut, mal leise, mal ungestüm, mal nachdenklich – und immer mit viel Rhythmus. Wie in „Istanbul“, das der Musiker wie rund die Hälfte aller „Kraniche“-Stücke in der türkischen Metropole geschrieben hat, wo er mehrere Monate mit Frau und Tochter verbrachte. Unter lautem Beifall widmete er das Stück einer „jungen demokratischen Türkei ohne Polizeigewalt“.

Ehrlich, bodenständig und authentisch – so wirkt der gebürtige Niedersachse, der sich am Sonntag freute, dass sich so viele Menschen gegen Fußball oder den „Tatort“ und für handgemachte Bosse-Musik entschieden. Neben seinem bislang größten Erfolg „Schönste Zeit“ zeigte er mit „So oder so“, „Vier Leben“, „Sophie“ oder dem Titelsong „Kraniche“ das breite Spektrum des aktuellen Albums, das mit deutlich umfangreicheren Arrangements aufwartet als seine Vorgänger. Nicht fehlen durften aber auch die älteren bekannten Bosse-Stücke wie „3 Millionen“, „Wartesaal“ oder „Frankfurt Oder“, den er zusammen mit Anna Loos aufgenommen hat.

Nach anderthalb schweißtreibenden Stunden und mehreren Zugaben verneigte sich der 33-Jährige vor dem Publikum, dankte den Veranstaltern und überließ Joe Cocker die ganz große Bühne.

„Was wir nicht können, ist irgendwas wiederholen“, heißt es in „Schönste Zeit“. Manches aber schon. Zum Beispiel einen Bosse-Auftritt beim nächsten Zeltfestival im Jahr 2014.