Gemüsescheune darf sich Integrationsunternehmen nennen. Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten Hand in Hand zusammen. Gegenseitige Rücksichtnahme.
„Das hier ist abgefallen. Was machen wir damit?“, fragt Daniel Brockmann (27) und zeigt seiner Chefin Ina Stock-Tonscheid ein von Hand geschriebenes Aktionsblatt. „Das kann weg“, sagt sie zu ihrem Mitarbeiter. Er ist einer der Menschen mit Behinderung, die in der Gemüsescheune an der Elfringhauser Straße arbeiten.
34 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, zehn davon sind geistig oder körperlich behindert oder psychisch krank. Hinzu kommen drei Praktikanten mit Behinderung.
Die Zusammenarbeit geht Hand in Hand. „Kannst Du den Ordner mal halten?“, fragt Kevin Malina (24) Ina Stock-Tonscheid. Er ist im Rollstuhl auf dem Weg in die Abteilung Blumen und Tiere, in der Daniel Brockmann als Praktikant arbeitet. Er muss deswegen noch einige Details mit ihm klären. Malina ist Kaufmann im Gesundheitswesen, ihn reizte die Arbeit bei einem Integrationsunternehmen, in dem er für die Abrechnung ebenso zuständig ist wie fürs Personal: „Außerdem kenne ich die Gemüsescheune aus meiner Kindheit. Und ich kann beruflich weiterkommen.“
Aus einer Sprockhöveler Awo-Elektrotechnik-Werkstatt kommt Brockmann, der in Gevelsberg lebt: „Eigentlich habe ich Blumen- und Zierpflanzenbau gelernt, darum kehre ich hier wieder zu meinem alten Beruf zurück.“ Auch um Tiere wie Küken und Ponys kümmert er sich. Doch jetzt ist er gerade „in den Gurken“, wie eine Mitarbeiterin einer anderen Auskunft gibt, die möchte, dass er eben einen Torbogen für eine Kundin auseinander baut. Brockmann kommt, packt an, bringt den Bogen sogar zum Auto. Er schätzt die Arbeitsatmosphäre, ist psychisch erkrankt – ausgelöst „durch einen nicht netten Ex-Chef“.
Die Chefin jetzt kommt Mitarbeitern entgegen. Zum Beispiel Bernadette Thiel-Perić (50). Die Altenpflegerin war nach einem Unfall sechs Jahre arbeitslos, saß im Rollstuhl. Jetzt läuft sie wieder, schläft nachts schlecht, leidet unter Dauerschmerzen. Hier kann sie im Imbiss um elf Uhr anfangen. „Und Pausen machen, wenn es mir nicht gut geht.“ Sie kennt schon den Stammkunden, der täglich zwischen elf und zwölf Uhr zum Mittagessen kommt.
Sie litt unter der Arbeitslosigkeit - so wie Alfred Bednarek (57), der Hausmeisterarbeiten erledigt. Neue Hüfte, der ganze Bewegungsapparat ist kaputt, Sehbehinderung, und, und, und. Kurz: Der Zimmermann, der zuletzt in einem Schalungstechnik-Unternehmen gearbeitet hatte, verlor seinen Job. „Danach war ich psychisch fertig. Ich bin froh, dass ich diese Arbeit gefunden habe.“
Der Integrationsfachdienst vermittelte viele Mitarbeiter. Doch er ist nicht nur für sie ein Segen, sondern auch für Ina Stock-Tonscheid. „Wir haben einige psychisch kranke Mitarbeiter, die auch schon mal ausflippen können, wenn sie gerade einen schlechten Moment haben. Wir bekommen Tipps wie: Die Mitarbeiter sollen sich ein rotes Tuch an den Gürtel hängen, wenn man sie besser nicht anspricht – und es abnehmen, wenn es ihnen besser geht.“ Das funktioniert. So wie die Zusammenarbeit. Denn die Menschen mit Behinderung arbeiten in vielen Bereichen: im Büro, Verkauf, in der Obst-/Gemüseproduktion, der Herstellung von Marmeladen, eingelegten Gurken, Rumtöpfen, Kuchen, als Fahrer, Hausmeister, im Imbiss, Blumenbereich. Zwei Fahrer mit Behinderung werden Ende August hinzu kommen. „Wir sind größter Schulobstlieferant in NRW, versorgen 40 Schulen, brauchen noch Hilfe“, so Stock-Tonscheid.