Hattingen. In seiner Natur-Kolumne schreibt Dirk Janzen, Leiter der Biologischen Station, heute über die Schwarzkittel im Ennepe-Ruhr-Kreis.
Der Schrecken jedes Gärtners und Spaziergängers hat vier Beine, ein borstiges Fell und kann verdammt laut grunzen. Die Rede ist vom Wildschwein, das insbesondere den südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis zunehmend vereinnahmt.
Wer schon mal einem Wildschwein in freier Natur gegenüber stand, der weiß: So ein Vieh ist ein ganz schöner Kaventsmann. Ich habe mich bei Begegnungen mit dem Bruder Schwarzkittel schon einige Male ordentlich erschrocken. Immerhin gehört das Wildschwein zu den größten Wildtieren unserer Region. Die Schwarzkittel leben im Familienverband, aus dem sich ältere männliche Tiere, die Keiler, lösen. Der Rest der Rotte hat eine feste Rangordnung. Die Leitbache, normalerweise das älteste Muttertier, ist die Chefin der gesamten Familie. Schweine sind schlau – sauschlau. Die ältesten Familienmitglieder mit dem größten Erfahrungsschatz geben den Ton an. Geruchssinn und Gehör sind ebenfalls bestens ausgebildet.
Die Leitbache gibt den Weg vor und koordiniert sogar die Empfängnisbereitschaft der anderen Weibchen. Normalerweise ist das von November bis Januar der Fall. Nach dem Beschlagen, der Begattung durch den Keiler, bringen die Weibchen von März bis Mai ihre Jungen, die Frischlinge, zur Welt. Die Bache baut hierzu ein nach Süden ausgerichtetes, gepolstertes Nest, da die Ferkelchen äußerst kälte- und nässeempfindlich sind. Wird die Rotte ihrer Leitbache beraubt, kommt es zum großen Durcheinander. Der Familienverband gerät mächtig ins Wanken.
Nicht nur auf den Feldern unserer Kulturlandschaft lockt für Wildschweine ein reich gedeckter Tisch. Auch in den Gärten finden sie Kompost und Gartenabfälle, weshalb sich ihre Besuche mehren. Ebenso gibt der zunehmende Maisanbau den Tieren einen für deren Bedingungen optimalen Lebens- und Aufenthaltsraum. Sie finden hier auch ein prächtiges Nahrungsangebot. Dies, so erklärt Karl-Heinz Reinke, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Ennepe-Ruhr, führt dazu, dass die Bachen mehrmals im Jahr Frischlinge bekommen, somit die Zahl der Tiere rasant zunimmt.
Vom Umweltstress, in dem sich die Waldbäume befinden, profitieren die Allesfresser obendrein. So genannte Mastjahre, in denen Buchen und Eichen in Überlebenspanik Massen von Früchten bilden, häufen sich. Im Wald durchwühlen die Schweine mit ihrem Rüssel den Boden, futtern Schädlinge, Nützlinge und Aas. Eine Abschätzung der Bestandszahlen ist schwer und nach wie vor bietet das Wildschwein Rätselhaftes für die Wissenschaft. Auch beschäftigte sich die Jagdzunft ausgiebig mit dem Schwarzwild. Ursprünglich waren die Tiere tagaktiv. Erst durch Bejagung scheinen sie ihre Aktivitäten in die Nacht verlagert zu haben.
„Die enorm große Population der letzten drei bis vier Jahre haben wir nun im Griff, dank der stetigen Bemühungen der Jägerschaft“, sagt hierzu Reinke.
Schäden, die durch die wühlenden Rüssel auf Privatgrundstücken entstehen, sind besonders ärgerlich. Für Schäden in der Land- und Forstwirtschaft kommen die jeweiligen Jagdpächter auf. Auch wenn wir heute mit der Stückzahl pro Schwein per Hektar im Landesdurchschnitt liegen, gibt Reinke keine Entwarnung. „Vom idealen Fall, dass zwei bis drei Tiere pro 100 Hektar leben, sind wir weit entfernt. Dieses Verhältnis werden wir wohl nie erreichen“, schätzt der Jäger. Organisierte Drückjagden, die auch Revierübergreifend durchgeführt werden, sollen bei der Mammutaufgabe helfen.