Hattingen. . Angehende Lehrlinge sind zu schlecht über den Beruf informiert. Heimische Handwerkskammer und IHK bestätigten bundesweite Abbrecherquote nicht.
Lehrjahre sind keine Herrenjahre, das wissen viele Auszubildende aus Erfahrung. Helge Adolphs, Geschäftsführer für die Region Südwestfalen der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) findet drastische Worte: „Nicht immer, aber oft, ist die Ausbildung eine reine Ausbeutung.“ Das mag ein Grund sein für die vom Bundesinstitut für Berufsbildung ermittelten Zahlen, nach denen bundesweit jeder vierte Azubi die Lehre abbricht. Ganz vorn dabei das Gastronomie- und Hotelgewerbe. Die gute Nachricht: Im Bereich der für Hattingen zuständigen Kreishandwerkerschaft Ruhr und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet sieht die Lage deutlich positiver aus.
„Die bundesweite Zahl von fast 25 Prozent Abbrechern können wir für unseren Kammerbezirk nicht bestätigen“, teilt Julia Beuerlein von der IHK mit. Dennoch: 9,6 Prozent der Ausbildungsverträge wurden 2011 auch hier vorzeitig gelöst. Das sind 592 abgebrochene Lehren. Und die Zahl steigt seit Jahren. 2009 wurden 8,3 Prozent der Verträge früher als gedacht beendet, 2010 schon 9,4 Prozent. In Bereich der Kreishandwerkerschaft für Bochum und den Ennepe-Ruhr-Kreis sieht es ähnlich aus: „Wir hatten 2012 10,5 Prozent Abbrecher“, erklärt Geschäftsführer Johannes Motz. Die übergeordnete Handwerkskammer Dortmund spricht im Jahr 2011 sogar von einem Anstieg um fünf Prozent bei den Vertragslösungen.
„Oft werden die Verträge noch in der Probezeit aufgelöst“, weiß Julia Beuerlein von der IHK und betont: „Das kann aber von beiden Seiten – vom Arbeitgeber und vom Auszubildenden – kommen.“ Die Erfahrung zeigt ihr, dass vor allem im Hotel- und Gastronomiebereich viele Azubis aufgeben. Grund ist vielfach eine nicht optimale Berufsorientierung. Beuerlein: „Da sehen junge Menschen Fernsehkoch Tim Mälzer und denken: ‘Klasse, das mach ich auch.’ Und später merken sie: ‘Oh ich muss ja am Wochenende arbeiten.’“
Helge Adolphs von der NGG geht noch weiter und kritisiert die Gastro-Ausbildung: „Es gibt Überstunden ohne Ende, ohne ordentliche Vergütung und ohne ein Dankeschön.“ Außerdem würden Inhalte oft schlecht vermittelt. „Der Azubi steht am Ende der Nahrungskette und ist oft Ersatz für eine ausgebildete Fachkraft“, klagt er. Bei der Befragung im Rahmen des Ausbildungsreports seien die Gastronomie-Lehrlinge immer besonders unzufrieden. „Das spricht sich rum und die Zahl der Bewerber bricht ein. Wir hoffen deshalb auf die Einsicht der Arbeitgeber.“ Denn es gebe auch sehr gute Ausbildungsbetriebe.
Bei den Handwerkern sind die Problembranchen vor allem Friseure und Maler. Auch hier ist die Berufsorientierung das A und O. „Da zeigt sich der Wert des Praktikums“, findet Johannes Motz. Die wenigsten Abbrecher gebe es nämlich in dem Bereichen Sanitär und Heizung, Kfz und bei den Tischlern. Eben den Bereichen, in denen die Kreishandwerkerschaft große Eignungstests durchführt. Motz bringt es auf den Punkt: „Sich ein Bild vom Beruf zu machen ist allemal besser, als die Lehre abzubrechen.“