Hattingen. . Was kommt im neuen Jahr auf den Ennepe-Ruhr-Kreis zu? Ein Interview mit Landrat Arnim Brux.

Was kommt im neuen Jahr auf den Ennepe-Ruhr-Kreis zu? Landrat Arnim Brux sieht ein wenig Licht für die kommunalen Finanzen und warnt gleichzeitig vor Sparmaßnahmen, die die Lebensqualität in der Heimat beeinträchtigen. Der Sozialdemokrat freut sich darüber, mit der AVU die Energiewende in der heimischen Region vorantreiben zu können und glaubt nicht daran, dass alle Förderschulen durch die gewollte Eingliederung von Behinderten in die Regelschulen vor dem Ende stehen. Mit Arnim Brux sprach Klaus Bröking.

Neues Jahr, altes Thema, Herr Brux? Sprechen wir wieder über leere Kassen?

Brux: Wir können über Geld sprechen. Wir können aber auch darüber reden, dass wir ein Biogas-Kraftwerk in Betrieb nehmen. Wir können uns auch darüber unterhalten, dass wir in diesem Jahr den Radweg an der Bahntrasse von Silschede nach Wetter in Angriff nehmen und die Attraktivität unseres Kreises für Touristen erhöhen. Oder ich erzähle Ihnen davon, dass wir bei der Einbindung von behinderten Kindern in den Schulbetrieb weiter als andere sind. Wir können auch über den Kulturpreis reden, den wir ausgeschrieben haben oder über das Kommunale Integrationszentrum, das zukünftig helfen soll, die Situation für Menschen mit Migrationshintergrund im Ennepe-Ruhr-Kreis zu verbessern.

Also sind die Kassen wieder voll?

Nein, was ich eigentlich damit sagen möchte, ist, dass die Kreispolitik handlungsfähig bleibt. Aber ich sehe tatsächlich auch für die öffentlichen Kassen etwas Licht am Ende des Tunnels.

Verraten Sie uns den Grund für Ihren Optimismus?

Einmal natürlich die höheren Steuereinnahmen. Aber das kann sich natürlich schnell wieder ändern. Ich glaube allerdings auch, dass inzwischen die Probleme der Kommunen in Berlin und Düsseldorf angekommen sind. Der Stärkungspakt der Landesregierung ist ein Zeichen dafür. Ein weiteres: Der Bund hat die Kosten für die Grundsicherung übernommen. In der nächsten Wahlperiode will Berlin auch die Ausgaben für die Eingliederung der Menschen mit Behinderungen übernehmen. Im Augenblick zahlen allein die Landschaftsverbände, die sich über die Kommunen finanzieren, über vier Milliarden Euro für diese Aufgabe.

Die Bundestagswahl findet im September statt. Reicht es den Kommunen denn, wenn der Bund dann in das Thema Eingliederungshilfe einsteigt?

Eine entsprechende Gesetzesinitiative muss unmittelbar nach der Wahl ergriffen werden, dies fordere ich im Interesse der Kommunen. Jede Verzögerung macht die Lage für die Kommunalfinanzen dramatischer. Wenn der Bund nicht sehr zeitnah wesentliche Teile der Eingliederungshilfen übernimmt, dann werden wir feststellen: Das Licht am Ende des Tunnels war das Licht eines Zuges, der uns entgegenkommt und der uns als Kommunen mit seiner Ladung - nämlich der Finanzierung der sozialen Ausgaben - überrollt.

Also sind die Zeiten des Sparens noch längst nicht vorbei?

Genau, oder noch schlimmer: Wir sind teilweise schon über das sinnvolle Sparen hinaus, sind beim rigorosen Kürzen und Streichen angekommen. Die Diskussionen über Schließungen von Schwimmbädern, Musikschulen oder Bibliotheken, über den Sinn und Zweck kleinster Ausgabeposten in den Etats zeigen, wie häufig die Städte und der Kreis jeden Cent nach wie vor umdrehen müssen. Gleichzeitig wird verzweifelt und nachvollziehbar versucht, zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Stichworte sind hier erhöhte Sätze für Gewerbesteuern und Grundsteuern. Diese Kombination aus weniger Angeboten und erhöhten Belastungen für die Bürger ist fatal. Wir müssen aufpassen, dass keine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird, die sich negativ auf die guten Bedingungen auswirkt, die wir derzeit noch für das Leben, Arbeiten und Wohnen zu bieten haben.

Da sind wir bei dem Problem der abnehmenden Bevölkerung, mit dem besonders wir zu kämpfen haben.

Gut, wir haben in einigen Städten unseres Kreises gegen die Überalterung zu kämpfen. Wir wissen aber auch, das habe ich zumindest in ihrer Zeitung gelesen, dass mehr Menschen in den Kreis ziehen als ihm den Rücken kehren. Das zeigt, dass wir für die Menschen durchaus attraktiv sind. Außerdem gibt es in der Bundesrepublik insgesamt nur vier Kreise, die dichter als wir besiedelt sind. Da dürften ein wenig weniger Menschen kein Problem sein. Die Herausforderung besteht darin, mit dieser Entwicklung kreativ umzugehen und sich beispielsweise der Frage zu stellen, wo und wie Rückbauten von Infrastruktur ganz neue Chancen bieten.

Kommen wir zum Thema Schule. Da wird die große Aufgabe die Integration der Kinder mit Behinderungen, die bisher an Förderschulen unterrichtet werden, in die Grund-, Haupt-, Realschulen und Gymnasien sein?

Ja, wir haben heute schon wesentlich weniger Anmeldungen für die Förderschulen. Wir werden auch über Schließungen diskutieren. Ein vollständiger Verzicht auf diese Schulform ist aber in meinen Augen nicht möglich. Es wird Eltern von zum Beispiel schwerstbehinderten Mädchen und Jungen geben, die sich lieber auf die intensive Betreuung verlassen, die speziell an einer Förderschule möglich ist.

Eine Herausforderung für die Zukunft ist aber auch, Platz für die Wirtschaft zu schaffen.

Unser Kreis lebt von der produzierenden Industrie, auch wenn die von einigen Propheten im Ruhrgebiet abgeschrieben worden ist. Unsere Unternehmen brauchen Platz. Um diesen im Angebot zu haben, diskutieren Städte und Kreis derzeit intensiv über interkommunale Gewerbegebiete. Die Ergebnisse werden wir in diesem Jahr präsentieren und politisch beschließen lassen. Parallel wollen wir uns mit den Städten Hagen, Gevelsberg, Ennepetal und Schwelm an der Bundesstraße 7 umsehen, ob es dort noch brachliegende Gewerbeflächen gibt, die uns helfen können.