Hattingen. . Heimatfreund Gerhard Wojahn berichtet in der Reihe „Hattingen historisch“ heute von der Beschlagnahmung und Wiederankunft der Glocken der St.-Georgs-Kirche.

Der Kirchturm der St.-Georgs-Kirche neigt nach Südwesten, dafür gibt es verschiedene volkstümliche Anekdoten. Nach überwiegender Meinung ist der Turm von Anfang an bewusst mit dieser Neigung angelegt worden, damit er den in Hattingen oft starken Südwestwinden besser standhält. Der Turm hat, einschließlich Kreuz und Hahn, eine Höhe von 56,73 Metern.

Kürzlich hat mir ein Winz-Baaker Bürger ein Foto aus dem Jahre 1926 zugesandt. Das Bild zeigt die Ankunft von vier Glocken, aufgenommen vom Haupteingang der St.-Georgs-Kirche aus. Auf dem blumengeschmückten Wagen steht Kirchmeister Trösken und hält die Willkommensrede. Daneben Pfarrer Graefe zu Baringdorf vor einer Gruppe von etwa 30 Herren mit Zylinderhüten, am rechten Rand ein Bläser-Chor. Mehrere hundert Menschen in festlicher Kleidung nahmen an der Zeremonie unter den Bäumen auf dem Kirchplatz teil.

Anordnung des Kriegsministers

An diesem Tag wurde daran erinnert, dass im Ersten Weltkrieg die Kirchengemeinden eine Anordnung des Kriegsministers vom 20. April 1917 erhielten mit dem Befehl: „Alle Bronzeglocken sind beschlagnahmt und in das Eigentum des Reichsmilitärfiskus übergegangen. Die Glocken sind von den Bauwerken zu entfernen und bis 30. Juni 1917 an eine Sammelstelle abzuliefern.“

Welch eine Freude dürfte nun bei den Menschen aufgekommen sein, als acht Jahre nach Ende des Krieges die neuen Glocken eintrafen – und das in der damaligen Inflationszeit mit massiver Arbeitslosigkeit und Armut unter der Bevölkerung. Die Gemeinde wird gebetet und gehofft haben, dass ihr das Geläut nie wieder genommen wird. Es kam jedoch anders.

Denn nur 16 Jahre später, Mitte des Zweiten Weltkrieges, hatte die Reichsregierung die gleiche Anordnung zur Ablieferung des Geläuts getroffen. Über den historisch traurigen Tag, den 4. Mai 1942, wurde von der WAZ vor wenigen Monaten berichtet.

Derzeit befinden sich im Turm vier Glocken. Diese stammen aus der Gießerei des „Bochumer Vereins“. Aufgehängt wurden sie, nachdem sie vorher den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Essen eingeläutet hatten. Die feierliche Weihe fand am Reformationstag, dem 31. Oktober 1950, statt.

Nach altem Glockengießerbrauch sind die Glocken mit Verzierungen und Sätzen versehen. Die größte Glocke mit einem unteren Durchmesser von 1,97 Meter wiegt 56 Zentner und trägt die Aufschrift: „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort.“ Die zweite hat ein Gewicht von 38, die dritte von 27 Zentnern. Sie trägt die Umschrift: „Siegel des Heiligen Georg in Hattingen“. Die vierte Glocke im Gewicht von 15 Zentnern trägt den Reim: „Johannes der Täufer bin ich genannt. Ich rufe weíthin übers Land, dass unser Heiland Jesus Christ der einzige Weg zum Himmel ist“.

Der Turmhahn

Der Hahn auf unserer St.-Georgs-Kirche ist einer der ältesten der Umgebung und bietet, aus der Nähe betrachtet, einen erstaunlichen Anblick. Der kupferne, vergoldete Hahn ist nämlich auf beiden Seiten mit insgesamt zehn Jahreszahlen und sechzehn Namen von Männern der evangelischen Kirchengemeinde versehen. Die älteste Zahl besagt, dass der Hahn am 1. Mai 1729 durch einen Blitzschlag herabstürzte. So berichtet auch der Hattinger Pfarrer Rudolf Nonne in seinem 1890 erschienenen Buch über die „Größere evangelische Kirchengemeinde zu Hattingen“, dass am 1. Mai 1729 während des Nachmittagsgottesdienstes ein Blitz in die Kirche einschlug und Turm und Kirche stark beschädigte, wobei ein Kind getötet wurde und mehrere Personen verletzt wurden.

Überholter Hahn

In all den Jahren wurde der Hahn mehrfach herunter geschafft und überholt. Die eingehämmerten Namen wie Riddershaus, Schepmann, Sintermann, Stratmann, Höfken, Steimann, Fliegenschmidt und Lange beziehen sich interessanterweise nicht auf die Gemeindepfarrer, sondern überwiegend auf die jeweiligen Kirchmeister. Im vergangenen Jahrhundert wurde der Hahn viermal aus seiner luftigen Höhe geholt: 1904 unter Kirchmeister August Vahrenholt, 1928 unter Heinrich Hansberg, 1952 unter Heinrich Rugo und 1976 unter Paul Nocke.

Unser Turmhahn auf dem Kreuz, das 2,54 Meter hoch ist, wiegt etwa sechs Kilogramm. Vom Schnabel bis zum Ende der Schwanzfedern misst er rund 89 cm, seine Höhe beträgt rund 71 cm. Der Hahn schaut stets in die Richtung, aus der der Wind weht.

Der Kirchplatz war vom 9. Jahrhundert an bis zum 31. März 1813 als Kirchhof Begräbnisstätte für Hattinger Bürger. Danach wurde der Friedhof vor die Stadtmauer verlegt. Die letzten Gräber sind 1848 eingeebnet worden. Die 26 Grabsteine direkt an der Kirche wurden 1986 neu geordnet. Der älteste Stein trägt die Jahreszahl 1617.