Hattingen. Im Interview spricht Dirk Bramkamp, Abteilungsleiter im Job-Center Hattingen,über bedrohliche Situationen und den Alarmknopf am Schreibtisch.

Nach dem tödlichen Messerangriff auf eine Job-Center-Mitarbeiterin in Neuss wollten wir wissen, wie die Situation in Hattingen ist. Im Interview sprach Dirk Bramkamp (43), Teamleiter für Arbeitsvermittlung und Fachberatung, über die Situation vor Ort. Im Beschwerde-Management hat er auch selbst direkten Kundenkontakt.

Herr Bramkamp, wie haben Ihre Mitarbeiter die Nachricht aus Neuss aufgenommen?

Wir haben zusammengestanden und haben das mit Erschrecken und Betroffenheit zur Kenntnis genommen. Eine latente Gefährdung ist bei unserer Arbeit immer da.

Haben Sie hier in Hattingen bedrohliche Situationen erlebt?

Wir hatten immer mal Situationen, wo ein Stuhl energisch verrückt wurde. Einem Kollegen wurde einmal gegen das Schienbein getreten. Und es gab Situationen, in denen es durch Alkohol- oder Drogenkonsum ein bisschen kribbelig wurde. Vor allem verbal müssen wir hier einiges ertragen, wirklich derbe Beschimpfungen aus allen Bereichen – die Fluchbibel einmal hoch und runter. Zu wirklich tätlichen Übergriffen ist es glücklicherweise nicht gekommen.

Wie gehen Sie selbst mit solchen Beschimpfungen um?

Einmal hat mich ein Kunde beschimpft und mir gedroht: „Ich warte auf dich, wenn du gleich raus kommst“. Ich habe das damals zur Anzeige gebracht, wegen Beleidigung und Bedrohung. Er hat Arbeitsstunden bekommen.

Haben Sie Angst?

Nein. Ich arbeite seit 20 Jahren in der Sozialverwaltung und habe nicht nur meinen Dienstsitz hier, sondern auch meinen Wohnsitz. Ich treffe also auch, wenn ich privat unterwegs bin, Menschen, mit denen ich dienstlich zu tun habe. Es kommt vor, dass ich mich vormittags um zehn im Büro noch mit jemanden gekebbelt habe und nachmittags um fünf spielen wir gegeneinander Fußball. Aber das ist für mich kein Grund wegzuziehen. Ich bin Hattinger und ich bleibe Hattinger.

Gibt es Kollegen, die weggezogen sind?

Ja, ich habe Kolleginnen und Kollegen, die froh darüber sind, dass sie nicht mehr hier wohnen, die extra weggezogen sind.

Wie schützen Sie Ihre Mitarbeiter vor Übergriffen?

Es gibt natürlich Schulungen, Deeskalationstraining und Selbstverteidigungskurse. Und wir haben Warnknöpfe unter der Schreibtischen und eine hausinterne Alarmanlage, die sich akustisch bemerkbar macht, wenn so ein Knopf gedrückt wird. Außerdem gibt es über jeder Tür ein rotes Lämpchen, das leuchtet, wenn der Alarm ausgelöst wird, damit klar zu erkennen ist, wo das ist.

Dirk Bramkamp ist Abteilungsleiter im Job-Center Hattingen. Er ist sich der Gefahren bewusst, denen er und seine Kollegen im Job-Center tagtäglich ausgesetzt sind. Im Interview spricht er über mögliche Ursachen und darüber, ob ihm seine Arbeit trotzdem noch gefällt

Haben Sie eigentlich einen Sicherheitsdienst?

Nein. Aber im Erdgeschoss sind die Räumlichkeiten der Polizei. Die brauchen nur die Treppe hoch zu laufen und sind sehr schnell da, wenn jemand Hilfe braucht.

Viele Arbeitslose leiden unter Existenzängsten. Besonders schlimm wird es, wenn sie ihr Arbeitslosengeld nicht rechtzeitig bekommen. Gibt es auch in Hattingen Menschen, die monatelang auf ihr Geld warten mussten?

Nein. Wenn, dann geht es um einige wenige Wochen. Wir sind ja auch nur Menschen. Und durch eine sehr hohe Arbeitsbelastung und einen hohen Stressfaktor haben wir einen hohen Krankenstand. Dadurch kann es manchmal zu einer etwas verzögerten Sachbearbeitung kommen.

Macht Ihnen Ihre Arbeit im Job-Center trotz all dieser Unannehmlichkeiten noch Spaß?

Ja, natürlich. Ich habe mich ja für die Arbeit in der Sozialverwaltung entschieden. Es gibt auch sehr schöne Situationen, etwa wenn Kunden kommen, um sich zu bedanken, weil sie durch unsere Hilfe wieder eine Arbeit gefunden haben.