Hattingen. . Die Hauptklientel hat das Arbeitsleben schon hinter sich. Doch auch junge Leute entdecken das Reformhaus. Oft sind es Veganer.
Mit einer Tüte voller Säfte verlässt der Mann den Laden. Einkäufe für die hochbetagte Mutter. „Ich brauch’ das noch nicht“, beantwortet er die Frage, ob er ebenfalls Reformhauskunde sei. Eine Reaktion, die nicht untypisch ist. Und die Barbara Stöcker schmunzeln lässt. Am Dienstagvormittag schauen im Laden Kleine Weilstraße zwar hauptsächlich Käuferinnen und Käufer vorbei, die das Arbeitsleben hinter sich haben. Doch auch junge Leute entdecken zunehmend die Produktpalette.
„Vordenker setzten Standards“
Nicht in rauen Mengen, aber öfter als früher nach Auskunft der Fachfrau. Häufig sind es Veganer, Menschen, die kein Fleisch essen und Produkte vom Tier ablehnen, die sich in den Regalen bedienen. Nicht hier, wo Barbara Stöcker seit einem Jahr aktiv ist, sondern im Hauptgeschäft Welperstraße 2. Dort ist die Kundschaft nicht nur jünger, sondern auch probierfreudiger. „Reformhaus – was ist das denn?“ Die Reaktion gibt’s auch bei jungen Leuten. Das erfährt die eingefleischte Reformhäuslerin von ihrer Tochter, die in ihre Fußstapfen tritt und gerade in Essen ihre Ausbildung macht. Was dagegen auch in jungen Köpfen präsent ist: „Rotbäckchen – das gab’s doch immer bei Oma.“ Und die holte den Kindersaft im Reformhaus.
Es ist eine alte Bewegung, die in diesem Jahr 125 geworden ist. Das Schild zum Geburtstag hängt auch hier im Geschäft an der Wand. „Bio ist in allen Köpfen“, sagt Barbara Stöcker. Dass die Gründer der Reformhäuser „die alten Vordenker waren, die Standards gesetzt haben für ein gesundes Leben und Qualität, ist weniger bekannt“.
Mit Brotkoffer auf Reisen
Schon immer seien hochwertige Rohstoffe verwendet worden, Spritzmittel tabu gewesen. „Nichts vom lebenden Tier“ sei in alten Zeiten Grundsatz gewesen. In älteren Hattinger Zeiten „gab es auch drei, vier Reformhäuser“. Jetzt sind es noch zwei, die Barbara Stöcker mit vier Mitarbeiterinnen und einer Auszubildenden bespielt. Neben Saft gibt es im Reformhaus inzwischen auch Wein. Der war früher tabu, wie es Fleisch und Fisch in Frischform immer noch sind. „Das wäre hier schon wegen der hygienischen Auflagen auch gar nicht möglich“, sagt Barbara Stöcker.
„Wie lange hält sich der Brotaufstrich, wenn er geöffnet ist?“, will Monika Smitkowski (59) wissen. Die Antwort: „Eine Woche schafft er schon im Kühlschrank.“ Eine gute Beratung ist der 59-Jährigen wichtig, „und die krieg ich hier“.
Eine Kundin verlässt geraden den Laden mit einer ganzen Palette Erdbeermarmelade. Nach selbst gemachter sei das die Beste, sind sich Reformhauschefin und Kundin einig. Einen ganzen Koffer mit glutenfreiem Brot orderte ein älterer Kunde, der einen Stoff im Weizen nicht verträgt. So halten es viele, wenn sie verreisen.