Hattingen. . Am 15. Dezember 1869 fuhr der erste Dampfzug von Hattingen nach Essen. Im Westfälischen Hof an der Bahnhofstraße wurde das Ereignis groß gefeiert.

Der Punkt, an dem die Kleine und Große Weilstraße sowie die Bahnhofstraße mit der Hausnummer 1 beginnen, ist seit dem 16. Jahrhundert historisches Gelände. Denn hier befand sich einst das Weiltor in der Stadtmauer. Die Händler aus dem Rheinland kamen durch Hattingen und verließen die Stadt durch die „Weyl poerte“. Über die Bahnhofstraße erreichten sie bei Haus Weile die Ruhrbrücke und zogen weiter in die Westfälische Bucht.

Es müsste ein Sonntag gewesen sein, wahrscheinlich im Jahre 1925, als das obige Bild aufgenommen wurde. Gut gekleidete Fußgänger lustwandeln auf der Fahrbahn der Bahnhofstraße. Eine Person steht mit ihrem Hund unter der Markise der Konditorei Leifels und betrachtet die ausgestellten Torten, andere Bürger schauen in das Tapetengeschäft des Emil Schmidt und weitere blicken in die Auslagen des Woll- und Weisswaren-Ladens Beissner.

Die Post ging abbis Herzkamp

Die folgende Postkarte aus dem Jahr 1907 ist ebenso interessant, sie ist für Andenken-Sammler ein wertvolles Stück. Schaute man von der Straßenbahn-Haltestelle „Hattingen Post“ in Richtung Kleine Weilstraße, dann blickte man links zunächst auf das neue Postamt. Das Backsteingebäude wurde 1890 errichtet, weil das bisherige Dienstgebäude an der Bahnhofstraße 34/Ecke Poststraße nicht mehr den Anforderungen genügte.

Fortan konnte von hier der gesamte Amtsbereich von Winz-Baak bis Herzkamp bzw. von Oberaltendorf bis Hammerthal postalisch versorgt werden. Und ab 1908 wurde von diesem Gebäude aus auch der Telefondienst rund um die Uhr vermittelt.

Steintreppe führte hinaufzur Synagoge

In dem Haus hinter dem Postamt war jahrelang das Geschäftslokal der Volkszeitung, später dann der Ruhr-Nachrichten. Zwischen den folgenden beiden Mauerstücken führte eine Steintreppe hinauf zur Synagoge. Das nächste Haus wurde durch einen viergeschossigen Neubau ersetzt, in den das Zigarrengeschäft Porbeck einzog und der Zahnarzt Dr. Leo Markes seine Praxis hatte. Im Zuge der Stadtneuordnung ist dieser Straßenabschnitt in den 1970er Jahren grundlegend verändert worden.

Im Hotel-Restaurant „Westfälischer Hof“ wurde am 15. Dezember 1869 die Einweihung der Eisenbahnstrecke Essen -Hattingen gefeiert. An jenem Tage fuhr der erste Dampfzug nach Essen.

Zentraler Knotenpunktdes Personenverkehrs

Der Bahnhof Hattingen (Ruhr) wurde allmählich zum zentralen Knotenpunkt des Personenverkehrs in unserer Stadt. Anlass genug, Gäste einzuladen und ein Festessen zu servieren. Die Speisekarte sah folgende Gänge vor: Auster, Schildkrötensuppe und Aal in Gelee, als Hauptgericht konnte man wählen zwischen Zunge mit Teltower Rübchen, Puter in Gelee mit Sauce à la diable und Ente mit Pflaumen. Den Abschluss bildete Plumpudding oder Schaumsoße. Rechts neben der Gaststätte in dem Bruchsteingebäude waren die Pferdeställe für Hotelgäste, die per Kutsche anreisten.

Gedränge vorder Abendvorstellung

Auf dem Grundstück der Pferdeställe hatte Hermann Hagedorn im Jahr 1920 das Central-Theater mit 630 Plätzen eröffnet. Aus der Zeit Ende der 1930er Jahre ist bei mir der Eindruck haften geblieben, dass dieses Kino stets gut besucht wurde. Kein Wunder, es gab ja noch kein Fernsehen. Ich stelle mir noch die zahlreichen Menschen vor, die auf den Einlass warteten. Und das Gedränge, wenn die Besucher der ersten Vorstellung das Haus verließen und die Zuschauer zur Abendvorstellung hinein wollten.

Die Katholische Gemeinde wuchs nach der Gründung der Henrichshütte im Jahre 1854 durch den Zuzug weiterer Arbeiter schnell auf über 3000 Mitglieder an. Der Bau einer größeren Kirche war nun unumgänglich. Am 2. Juni 1868 wurde am Lindenkamp (heute Bahnhofstraße) der Grundstein für die Pfarrkirche St. Peter und Paul gelegt. Schon zwei Jahre später, am 17. Oktober 1870, konnte das Gotteshaus eingeweiht werden.

Der Blick von der Straßenbahn-Haltestelle in Richtung Poststraße auf das ruhige Verkehrsleben. Autos waren damals eine Seltenheit, nur gelegentlich fuhr hier mal ein Pferdewagen vorbei. Rechts auf dem Bild sieht man - nach dem Stand von 1929 - das Möbelgeschäft Wilhelm Zschau, Friseur Peter Müller, in dem bruchsteinernen Gebäude hatte die Stadtsparkasse von 1903 bis 1930 ihren Sitz, und die Buchhandlung van Bebber. Links die Villa des Brennereibesitzers Aug. Weygand. Vergleicht man die Fassaden, dann findet man kaum einen Unterschied, denn nicht ihr Alter, sondern die Frische fällt ins Auge.