Hattingen. . Tim Bendzko singt sich in die Herzen der Zuschauerinnen am Kemnader See.

Es ist warm im Zelt, trotz angenehmer Außentemperaturen von nur 23 Grad. Die gute Laune der Tim-Bendzko-Fans kann das nicht trüben. Die Fans, ja wo sind sie eigentlich? Vermutlich in den vorderen Reihen vor der Bühne, die schon eine Stunde vor dem Konzert dicht gedrängt stehen und darauf warten, dass es endlich losgeht. Es sind überraschend viele Leute hier, die nicht einmal die CD von Tim Bendzko zu Hause im Regal stehen haben (und sie auch nicht in virtueller Form besitzen). „Die Texte, die im Radio laufen, kann ich mitsingen“, sagt etwa Melanie Grimm (28) aus Essen. „Ich höre die Musik gern. Zum Fan sein und Poster aufhängen bin ich ein bisschen zu alt“, meint Nadine Lademann (28) aus Gelsenkirchen. Ihre Freundin Sarah Boos (28), ebenfalls aus Gelsenkirchen, findet: „Es ist schön auf einem Konzert zu sein, auf dem es normales Publikum gibt – keine schreienden Kinder.“

Keine schreienden Kinder

Normales Publikum, was kann man sich darunter vorstellen? Kinder, vor allem Mädchen, die mit ihren Eltern hergekommen sind, junge Frauen und Pärchen, aber auch Zuschauer mittleren Alters sind zum Kemnader See gekommen, um den Berliner und seine Band live zu sehen und vor allem zu hören. Im vergangenen Jahr stand Tim Bendzko hier schon einmal auf der Bühne. Damals allerdings noch als Support für Joe Cocker. Ein knappes Jahr später spielt er seine eigene Show im ausverkauften Zelt vor über 4000 Zuschauern. Und dann ist es soweit. Tim Bendzko lässt sein Publikum nicht lange warten. Das Konzert beginnt überpünktlich um kurz vor sieben mit „Du warst noch nie hier“: „Aber du warst noch nie hier, hast noch nie meine Stimme gehört“. Immer noch strömen weitere Besucher ins Zelt hinein.

Auf den Sitzplätzen: gespanntes Zuhören. Kaum jemand scheint das Lied zu kennen. Doch die Stimmung steigert sich und spätestens bei „Nur noch kurz Bochum retten“ – so kündigt der Berliner seinen bisher größten Erfolg an – sind dann alle, auch auf den Sitzplätzen, von der Bendzko-Euphorie gepackt. Auch das Mitsingen und sogar allein den Refrain singen klappt jetzt, zumindest bis der 27-jährige Lockenkopf das Publikum aufteilt: „Und jetzt nur die Frauen.“ – Kein Problem. Bei „Und jetzt nur die Männer“, allerdings ist kaum noch etwas zu hören, außer dem Lachen der Frauen, die nicht singen sollen. Na gut. So gemischt ist das Publikum dann doch nicht. (Das merkt man auch nach dem Konzert vor den Toiletten. Die Schlangen unterscheiden sich nur noch in ihrer Länge. Lange Schlangen vor den Damentoiletten, etwas kürzere Schlangen von Frauen vor den Herrentoiletten und dazwischen einige wenige Männer.)

Bendzko spielt alle bekannten und weniger bekannten Lieder, darunter „Ich laufe“, „Wenn Worte meine Sprachen wären“, „Ich kann alles sehen“ und „Keine Zeit“, bei dem sogar die Zuschauer auf den Sitzplätzen aufspringen und mittanzen – und auch ein Lied vom neuen Album „Am seidenen Faden“. Und es gibt sie doch, die echten Tim-Bendzko-Fans, die ein verschwitztes Handtuch auffangen etwa.

Hymne ans Heiraten

Nach „Sag einfach Ja“, Bendzkos „Hymne ans Heiraten“, wie er das Lied ankündigt, hält jemand vorne im Publikum ein grünes Schild mit zwei Buchstaben und einem Ausrufungszeichen hoch: „JA!“ – Wenn das kein Ausdruck von Begeisterung oder vielleicht sogar als Antrag gemeint ist.

So cool sich viele Zuschauerinnen vor dem Konzert gegeben haben, am Ende bringt der gut aussehende Berliner mit seinen gefühlvollen Texten dann doch die Herzen zum Schmelzen. „Ich will in dein Herz, und wenn das nicht geht, dann will ich dich nie wiedersehen.“ Bei diesen Liedzeilen höre ich meine Nachbarin auf der linken Seite tief seufzen.

Nach zwei Zugaben und insgesamt anderthalb Stunden ist das Konzert vorbei. Zurück bleiben viele zufriedene Frauen und einige Männer.