Essen/Sprockhövel.

Essen. Er gilt als unberechenbar. Ungewöhnlich für einen Prozess in Essen: Der 29-jährige Sprockhöveler auf der Anklagebank sitzt in Handschellen vor dem Landgericht Essen. Unvermittelte verbale und körperliche Attacken wirft die Staatsanwaltschaft dem psychisch erkrankten Mann vor.

Offenbar rechnet auch die Justiz in Essen mit Reaktionen aus dem Nichts, nachdem es früher wohl schon am Amtsgericht Hattingen zu entsprechenden Szenen kam. Wie ein roter Faden zieht sich Gewalt durch die Monate um die Jahreswende 2010 bis 2011.

2002 war der Beschuldigte nach Deutschland gekommen. Asyl beantragte er, bekam aber eine Ablehnung. Seine Abschiebung scheitert bislang daran, dass er sich nicht um Papiere aus seiner Heimat kümmert. 2005 verurteilte das Landgericht Essen ihn zu einer Haftstrafe von sechs Jahren wegen Vergewaltigung

Als er im August 2010 entlassen wird, ist bei ihm eine psychische Erkrankung ausgebrochen. Von einer paranoiden Persönlichkeitsstörung mit paranoider Psychose spricht Staatsanwältin Sabine Vollmer. Die Stadt bringt ihn zunächst in einem Übergangsheim unter, plant später seinen Umzug in ein Asylbewerberheim. Damit ist der 29-Jährige nicht einverstanden.

Seine Reaktion macht aber wenig Sinn, denn vor allem mit seinem Sachbearbeiter in der Stadtverwaltung legt er sich an. Drohungen soll er ausgestoßen haben: „Es passiert etwas Schlimmes, wenn ich umziehen soll.“ Laut Antragsschrift der Staatsanwaltschaft prügelt er sich mit dem Beamten, legt sich auch mit Polizeibeamten an. Einer Frau schlägt er ins Gesicht, heßt es weiter. Und auch mit seinen Nachbarn im Übergangsheim soll es Ärger gegeben haben. Einem Mann soll er einen Aschenbecher aus Porzellan vors Bein geworfen haben.

Widerstandshandlungen sollen damals zu seinem Naturell gehört haben. Als vier Beamte ihn aus einem Supermarkt holen, weil er bei einem Termin vor dem Hattinger Amtsgericht fehlt, soll er sofort ausgerastet sein und sich massiv gewehrt haben. Mit dem Tod soll er die Polizisten bedroht, sie mit „Nazi, Bastarde“ und weiteren Beleidigungen beschimpft haben.

Vor der VI. Essener Strafkammer weist er das zurück. Mit dem Beamten habe er sich nicht am Boden geprügelt. Richtig sei, dass er sich mit einem Polizisten auseinandersetzen musste: „Er hat mich geprügelt, ich habe ihn geprügelt.“ Die Festnahmeaktion der Polizisten? „Das war kein Widerstand. Die haben mich gegen die Mauer geworfen.“ Die Nachbarn? „Die haben mich mit der Axt angegriffen.“ Auf Fragen von Richterin Jutta Wendrich-Rosch lässt er sich aber durchaus auf Eingeständnisse ein. Seitdem er vorläufig in der Psychiatrie untergebracht ist, soll sich sein Zustand verbessert haben.