Essener Schwurgericht befragt das Umfeld von Jennifer Schlicht. Dass der Angeklagte Beziehung mit ihr hatte, weiß niemand. Bewegende Aussage ihrer Eltern
Hattingen. Kein Mensch kann den Schmerz der Eltern von Jennifer Schlicht erfassen. Aber am Donnerstag wird vor dem Landgericht Essen ein wenig davon deutlich, als das Bochumer Ehepaar erzählt, wie es die Tochter tot in Hattingen-Blankenstein fand.
Hatte sich das Schwurgericht am Dienstag mit der Person des wegen Mordes angeklagten Bochumers Marcus S. (39) beschäftigt, rückte am dritten Prozesstag das Opfer in den Mittelpunkt. Eine lebenslustige Frau mit vielen Kontakten, aufgeschlossen, esoterisch angehaucht mit ihrer Praxis für Lebensberatung – so schilderten Zeugen die 36 Jahre Angestellte der Stadt Bochum, die zuletzt im sozialmedizinischen Dienst labile und süchtige Menschen betreute.
Alle Zeugen fragt Richter Andreas Labentz, ob sie etwas von einer Beziehung des Angeklagten mit Jennifer Schlicht wüssten. Denn das hatte Marcus S. behauptet, Nein, keiner weiß etwas davon. Und so mitteilungsvoll wie sie Jenny in Erinnerung haben, hätte sie bestimmt davon gesprochen.
Balkontür stand offen
Eine ihrer besten Freundinnen erzählt vom 17. Mai 2005. Sie sei in tiefer Sorge gewesen, weil sie von Jenny nichts gehört hätte, berichtet die Bochumerin. Gemeinsam mit den Eltern der Vermissten fährt sie am Abend des 17. Mai, es ist der Dienstag nach Pfingsten, nach Blankenstein. Die Wohnung von Jenny ist dunkel, doch hinten steht die Balkontür auf. Sie klettert hoch, geht in die Räume, sieht Blut. Und dann entdeckt sie im Badezimmer den leblosen Körper ihrer Freundin, über den Wannenrand gebeugt. Sie habe den Oberarm berührt: „Er war ganz kalt. Das war ein Schock. Ich war wie gelähmt.“
Danach holte sie die Eltern in die Wohnung. Sie blicken kurz ins Bad. Richter Labentz fragt behutsam die Mutter, ob sie in der Wohnung war. „Wir mussten das ja wissen, was passiert ist“, sagt die 70-jährige Bochumerin mit fester Stimme, „ich war damals fix und fertig und stand neben mir“.
Sechs Jahre Tätersuche
Dem Vater stockt häufiger die Stimme. Sechs Jahre haben beide in der Ungewissheit gelebt, wer der Mörder ihrer Tochter ist. Ein Fotoalbum hat der Vater mitgebracht. „Wollen Sie uns die Bilder zeigen?“, fragt der Richter. Der 75-Jährige geht nach vorne, zeigt das Album mit den privaten Aufnahmen seiner Tochter. Es ist ein letzter Dienst an ihr. Bewegt hatte er zuvor geschildert, wie er den 17. Mai in Erinnerung hat. Die Freundin sei wie eine Salzsäule erstarrt. Er selbst betrat die Wohnung; sah „direkt rechter Hand das Blut, anderthalb Meter“. Dann sah er die Tochter. „Meine Frau konnte das nicht sehen“, sagt er, „ich auch nicht“.