Hattingen. . Ein einfacher Schrank reicht hier nicht mehr aus – hinter dieser Zimmertür befinden sich Kleider fürs Fernsehen und Theater

Jetzt hängen sie still an einem Bügel: das Pailletten bestückte Oberteil, das Kleid im Leopardenmuster und die schneeweißen Engelsflügel. Doch als sie getragen wurden, strahlte das Scheinwerferlicht und alle Augen waren auf sie gerichtet – in großen Fernsehshows, in Theatern und auf Galas. Die Kostüme gehören zum hauseigenen Fundus von Paul Kribbe und Lebensgefährte James de Groot. Sie arbeiten für die Firma „Mehr!“ und kleiden Tänzerinnen und Tänzer für Shows ein. Heute öffnen sie die Tür ihres begehbaren Kleiderschranks, wo die Kostüme nach dem Auftritt landen.

Seit acht Jahren sorgen die beiden zum Beispiel dafür, dass Tänzerinnen in der Fernsehsendung „Die Ultimative Chart Show“ mit Moderator Oliver Geissen auf RTL gut aussehen. Da hängt ein kurzes, rotes Röckchen mit plüschig weißer Umrandung und ein passender BH dazu: „Das hatte ein Model im letzten Jahr bei der Weihnachtssendung an.“ Für ein anderes Motto kauften sie Kostüme für Elfen, die in der Fernsehshow mit Gnomen tanzten. James de Groot zeigt das Tinkerbell-Kostüm. Ein hellgrüner Blätterrock, zarte Feenflügel, die golden schimmern. „Glitzer kommt im Fernsehen gut rüber, helle Kleider sind vorteilhafter als dunkle, weil es sonst schwierig mit der Beleuchtung wird“, weiß er. Das Tinkerbell-Kostüm sieht so zierlich und klein aus, wie für ein Kind gemacht – Irrtum. „Die gebuchten Tänzerinnen sind alle sehr dünn, hier im Fundus gibt es meist nur die Größen 34 oder 36.“ Da kommt es schon mal zu Problemen, wenn Tänzerinnen kurz vorm Auftritt an Gewicht zunehmen und plötzlich nicht mehr hineinpassen. „Manchmal lügen Models auch bei ihren Maßen, geben an, sie seien dünner und größer“, sagt Paul Kribbe. James de Groot nickt: „Für einen Auftritt bei dem Comedian Mario Barth mussten wir da leider einige nach Hause schicken.“

Unordentlich ist der begehbare Kleiderschrank nicht. Einmal im Jahr wird aussortiert. Für eine Show in der Halle des Musicals „Starlight Express“ in Bochum wurden vor kurzem Hippie-Kostüme aus dem Fundus ausgeliehen. Es war eine Benefiz-Gala zugunsten von SOS Kinderdorf und Red Nose Day. „Manchmal kommen auch Nachbarn und leihen sich etwas für Karneval“, sagt Paul Kribbe lachend. Der Rest geht ans Deutsche Rote Kreuz. Erinnerungen werden aber behalten. Wie die Gummibrust, die eine Schauspielerin für das Theater „Unter Vögeln“ trug, in dem es um eine Brustoperation ging. Mit Grüßen und Unterschriften schenkten die Kollegen sie hinterher Paul Kribbe.

Bei der 100. Chart Show tanzten Cheerleader mit blau-weißen Pompons. Auch sie liegen jetzt in dem 36 Quadratmeter großen Kleiderzimmer neben Röcken aus dem Musical „Grease“ und weißen Cowboyhüten mit silbernem Glitzerrand. Da fällt James de Groot ein: „Die weißen Hüte könnten wir gut bei der Weihnachtsfeier anziehen.“ Die Firmenfeier eines Unternehmens wie „Mehr!“ kann natürlich nicht normal sein, da kommen in diesem Jahr alle in Weiß gekleidet.

Wo kauft man so verrückte Kostüme? „In Boutiquen, aber auch beim Großhandel“, erklärt James de Groot. „Wenn wir in Spanien, in Wien oder München sind und einen Auftrag bekommen, schauen wir uns dort direkt vor Ort um“, ergänzt Paul Kribbe. Klingt nach einem riesigen Spaß – ist es aber nicht immer. Wenn sie stundenlang suchen und nichts finden oder für ein Thema Sommerkleider im Winter besorgen sollen; es nur noch drei passende Hemden im Laden gibt, aber vier benötigt werden. Dann kommen sie in „Kostümstress“. Letztendlich klappt dann aber doch alles – und die Kleider erscheinen für einen Moment im großen Scheinwerferlicht.