Hattingen.

Frauenförderung muss auch in schlechten Zeiten drin sein, sagt Frauenbeauftragte Ingrid Wawrzyniak zu ihrem Abschied.

„So aufgeräumt war mein Schreibtisch noch nie“, sagt Ingrid Wawrzyniak. „Ich hoffe, die linke Seite schaffe ich auch noch.“ Dort liegt ein Aktenstapel. Auf dem zweiten Schreibtisch mit dem Computer steht schon ein Blümchen. Von einer Frau, die heute nicht beim Tag der offenen Tür zum Abschied der Frauenbeauftragten dabei sein kann.

Ehe die 64-Jährige an diesem Mittwoch von 11 bis 16 Uhr viele Hände schütteln wird, nimmt sie noch an einer Konferenz teil. Dann enden über 25 Jahre Frauenbüro mit der Gelsenkirchenerin. „Danach kann man mich buchen“, lacht sie. Und schickt hinterher: „Ich realisier’ das noch nicht.“ Eher fühlt sie sich, als ob sie einen Urlaub antritt. Was sie auch tut – und mit Tochter und dem dreijährigen Enkel nach England fährt. Nur dass sie im Unterschied zu früheren Ferienreisen nicht an den Arbeitsplatz zurückkehrt. Nur noch zu Stippvisiten nach Hattingen kommt.

Als sie den Job antrat, hatte sie Schlagworte wie Emanzipation im Kopf, doch war Gleichstellung für sie neu, obwohl sie schon Vorreiterin war. Mit einem Mann, der zu Hause blieb – „eine absolute Seltenheit damals“ – weil sie mehr verdiente. Vorher machte sie Jugendbildung und Politische Bildung beim Deutschen Volkshochschulverband und wollte „nicht Berufsjugendliche werden“. Weshalb sie in Hattingen anheuerte.

„Es ist ganz schön schwierig, Familie und Beruf zu vereinbaren“, stellte Ingrid Wawrzyniak fest, als vor 33 Jahren ihre Tochter geboren wurde. Es ging nur, „weil ich Eltern hatte, die mich unterstützten“. Zwar gibt es heute Ganztagskitas und offenen Ganztag, Frauen haben es leichter. Doch „klafft noch eine Lücke bei der Kinderbetreuung“ zwischen dem ersten und zweiten Jahr.

Dass Frauen in guten Jobs arbeiten, von denen sie leben können – ,,und Männer natürlich auch“ – ist ihr Herzensangelegenheit. Es war damals ein Thema und ist es heute noch. Denn Frauenerwerbstätigkeit sei zwar gestiegen, es gebe sie aber kaum noch auf vollen Stellen. Viele arbeiteten halbtags. Im Niedriglohnsektor Oft ganztags und brauchen trotzdem Transferleistungen. „Da stimmt was nicht im System“, sagt Ingrid Wawrzyniak. Und führt zu Altersarmut.

„Meine Mutter konnte von ihrer Rente leben“, sagt sie. Für viele Frauen heute laufe es auf Grundsicherung hinaus. Eine Perspektive, „die mich nicht optimistisch stimmt“.

Für ihren zweiten Schwerpunkt neben der Frauenerwerbstätigkeit – Frauenförderung – hatte Prof. Dr. Ernst Bender, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, damals festgestellt, ohne aktive Förderung werde es im öffentlichen Dienst bis 2300 dauern, bis Gleichheit erreicht ist. „Keine Perspektive“ für die streitbare Frau, die daranging, die Situation zu verbessern.

Auch außerhalb der Stadtverwaltung bekamen Frauen Perspektiven. „Noch heute treffe ich Frauen, die mir sagen, weil ich im Anneke-Zentrum war, hab’ ich einen guten Job gefunden“, freut sie sich. Hofft, in Köpfen und im Leben etwas verändert zu haben. Dass das Anneke-Zentrum ebenso weg ist wie zwei Modellprojekte, die Frauen nach dem Niedergang der Stahlindustrie bekamen, ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Es gibt viel zu tun. Für ihre Nachfolgerin. Klarzumachen, „dass Frauenförderung nicht nur das Sahnehäubchen für gute Zeiten ist“. Egal, was die Haushaltslage hergibt: Für Frauen muss was drin sein.