Hattingen. .

Ämter ziehen nicht in die ehemalige Air-Products-Verwaltung in Welper. Kampfabstimmung und Patt im Hauptausschuss

Die Betroffenen wollten nicht. Die Stadtspitze nicht. Der Personalrat nicht. Und dennoch war das Thema für knapp drei Monate ein politischer Dauerbrenner. Bis zum Donnerstagabend. Da stimmte der Haupt- und Finanzausschuss über die Frage ab, ob die Verwaltung in mühevoller Kleinarbeit überprüfen soll, wie sich ein Umzug großer Teile des Stadtpersonals in die aufgegebene Air- Products-Verwaltung in Welper rechnen könne. Es wird die Prüfung nicht geben. CDU, Grüne und FDP hatten dafür gestimmt, SPD und Linke dagegen. Mit 9:9 Stimmen endete das Votum in einem Patt. Bedeutet: Antrag abgelehnt.

Damit bleibt es nun bei den ursprünglichen Umzugs- und Sanierungsplänen für die städtischen Dienststellen: Grundsaniert wird das Haus Bahnhofstraße 48. Stühlerücken ist für die Hüttenstraße 43 vorgesehen. Dort heißt die Bauverwaltung den Fachbereich Soziales und Wohnen willkommen, der zurzeit nebenan zur Miete untergebracht ist. Unterm Strich will der Kämmerer jährlich 100 000 Euro an Miet- und Energiekosten einsparen. Womit sich der Preis für Ringtausch und Sanierung in sechs Jahren amortisiert hätte.

Ganz andere Summen wollten CDU, Grüne und FDP bewegen, die im Ausschuss erneut dafür warben, den Standort Air Produkts spitz rechnen. ,,Statt in alte Gebäude zu investieren, können wir in Welper Alt gegen Neu tauschen und einen Mehrwert erzielen, nicht zuletzt bei Energiekosten und Umweltschutz“, so CDU-Fraktionschef Gerhard Nörenberg. Dem Vorstoß, zumindest detailliert zu prüfen, ob an der Hüttenstraße 50 eine Chance liege, schlossen sich Grüne und FDP an. Der Kaufpreis könne sicher noch knallhart verhandelt und gedrückt werden, betonte Stefan Kietz-Borgwardt von den Grünen.

Der Kaufpreis: 2,5 Millionen Euro hatte Air Products bei seinem Abgang aufgerufen. Mit drei Millionen Euro rechnet der Kämmerer inklusive Umbauten. Hereinholen wollte die Jamaika-Koalition die Kosten durch den Verkauf aller dann frei werdenden Stadt-Immobilien, so auch des Filet-Grundstücks Bahnhofstraße 48 („Stadt zum Fluss“).

„Zu peripher, zu teuer, zu groß“ – mit diesem Dreiklang erklärte Bürgermeisterin Dagmar Goch ihre Ablehnung. Die Lage: zu dezentral für die Bürger. Die Kosten: mit Blick auf den aktuell schwierigen Immobilienmarkt nicht zu vermitteln. Die Größe: völlig unangemessen für eine Stadtverwaltung, die dazu noch 100 ihrer 650 Stellen bis 2020 abbauen wird. „Wir wollen diesen Palast nicht. Kein Bürger versteht das. Die Diskussion kommt völlig zur Unzeit“, rief Dagmar Goch.

Von einer „Gespensterdiskussion“ sprach Achim Paas. Der SPD-Fraktionschef vermisste zudem („wenn wir diesen Wahnsinn nicht stoppen und wirklich geprüft werden müsste“) die Einbeziehung anderer leer stehender Verwaltungsgebäude wie Köppern in Winz-Baak oder Kone.

Ergebnis: Die beiden Standorte wären mitgeprüft worden. Wenn geprüft werden würde.

Kommentar: Pokerspiel verbietet sich

Den Mitarbeitern der Verwaltung oben auf der Besuchertribüne müssen die Ohren geklingelt haben. So viel Fürsorge seitens der Politik haben Stadtbedienstete schon lange nicht mehr erlebt. Die Parteien überboten sich geradezu im Ringen um das künftige Wohlbefinden des Stadtpersonals.

Tolle Arbeitsplätze, großzügige Büroräume, gesundes Arbeitsklima – das alles wäre zu haben, wenn man ins ehemalige Verwaltungsgebäude von Air Products umziehe. So die Vision von CDU, Grünen und FDP, die sich für eine genaue Überprüfung des Standorts ins Zeug gelegt haben. „Wir wollen eine deutliche Verbesserung für die Mitarbeiter erreichen“, sagte CDU-Fraktionschef Gerhard Nörenberg.

Der Stadtverwaltung eine derart sinnlose Prüfung zu ersparen, hatte sich die SPD auf den Weg gemacht. „Die Arbeitsbelastung ist schon jetzt am Anschlag“, so Fraktionsvize Carsten Bäcker.

So wichtig die Arbeitsbedingungen in den städtischen Amtsstuben auch sind. Entscheidend ist allein diese Frage: Darf eine so massiv unter Sparzwang stehende Stadt wie Hattingen in diesen Zeiten mit Millionensummen ins Risiko gehen und mit ihren Immobilien pokern?

Nein. Das darf sie nicht. Ganz egal mit welchem Blatt. Und genau deshalb kann man sich auch sparen, die Karten zu mischen. Ulrich Laibacher