Hattingen. .

„Wer ist in Hattingen geboren?“, fragt Bernd Baumhold von der Geschäftsstelle des Integrationsrates in die Runde. Nur zwei, drei Finger der 40 Gefragten gehen nach oben. Baumhold überschlägt: „Also haben wir hier über 90 Prozent Zuwanderer.“ So viele Zuwanderer habe ganz Hattingen nicht. „In Hattingen leben 3800 Ausländer – und wen meinen wir damit eigentlich?“

Mit wenigen Worten ist Baumhold mitten im Thema der Informations- und Ausspracheveranstaltung im Pastor-Schoppmeier-Haus, zu der Kolpingfamilie und VHS geladen hatten. An diesem Abend dreht sich alles um Integration und Zuwanderung.

Zusammen mit Erkan Çöloglu, Vorsitzender des Integrationsrates, versucht Baumhold Ängste und Vorurteile abzubauen. „Denn Vorurteile haben wir alle, davon kann sich keiner freisprechen.“ Erste Zweifel kommen den Zuhörern bei den genannten Zahlen. 3800 Ausländer in Hattingen, das kommt den meisten recht wenig vor. Baumhold stimmt nur teilweise zu. „Statistiken sind irreführend und oft nicht einheitlich“, sagt er.

So zähle das Land anders als der Kreis. Doch vieles sei am Ende der Wahrnehmung geschuldet. „Wenn sie in Holthausen mit dem Bus fahren, einem Ortsteil mit 20 Prozent Ausländeranteil, werden zweifellos auch viele Ausländer im Bus sitzen“, sagt Baumhold. „Sie könnten also darauf kommen, dass in Hattingen viele Ausländer leben, weil sie es in diesem Ortsteil so wahrnehmen.“ Tatsächlich habe er ein solches Gespräch zwischen zwei älteren Damen im Bus belauscht. Doch Hattingens Ausländeranteil liege weit unter dem Landesdurchschnitt.

Ein Gast lenkt das Thema mit klaren Worten schließlich auf die Gruppe der Moslems. „Bei dem Thema Ausländer und Migranten fallen bei mir die Klappen so weit runter, dass ich sofort an Moslems denke.“ Auf dem Gebiet der deutsch-türkischen Beziehung wird in Hattingen viel getan, weiß Erkan Çöloglu. „Es gibt eine Gesprächsrunde, an der beide Moscheevereine, die Polizei, evangelische und katholische Pfarrer und die VHS teilnehmen“, berichtet er. „Auch ein Vertreter der jüdischen Gemeinde war anfangs dabei.“ Doch für Multikulti brauche man eigentlich nicht die Türken. „Es gibt bei uns genug Gruppen, die lieber für sich bleiben, es gibt Szenekneipen und mehr“, meint Baumhold und fängt damit die Kritik auf, die eine Zuhörerin anbringt. Sie beanstandet, dass auf einem türkischen Fest, zu dem auch Deutsche eingeladen waren, sowohl Türken als auch Deutsche lieber für sich blieben. Auch eine Frau mischt sich bei diesem Thema ein. „Das machen wir doch nicht anders, da muss ich mir nur die Vereine auf den Stadtfesten anschauen.“

Für Michael Lunemann und Bernd Loewe, zwei Zuhörer, ist die Veranstaltung nicht zufriedenstellend verlaufen. „Es ist nicht viel rübergekommen, weil viel zu viele Themen zur Sprache kamen“, sind sich beide einig. Michael Lunemann macht für sich den Fortschritt der Integration an der Rolle der Frau fest. „Ein Thema, das nicht gerne diskutiert wird“, findet er. „Solange sich türkische Frauen nicht auf Augenhöhe mit unseren Frauen befinden, funktioniert das alles nicht.“