Hattingen.
„Hmmmm, das riecht lecker.“ Leopold (4) nimmt einen kräftigen Zug durch die Nase. Im Wolkenzimmerhaus, seinem zweiten Zuhause, wird selbst gekocht. Sein Brüderchen, ein Neujahrsbaby, das selig in der Trageschale schlummert, interessiert das nicht. Der Kleine gehört noch zu den Anhängern der Milchfraktion.
Bald wird aber auch der jetzige Säugling durch die Kindertagesstätte krabbeln, die seit 20 Jahren Jungen und Mädchen wickelt und von Anfang an behinderte Kinder betreute. Für seine Mama Imke Veit, die vor zehn Jahren hier ein Praktikum machte, war damals schon klar: Spätere Kinder würden im Wolkenzimmerhaus betreut und gefördert. Eltern wie sie, die dem jetzigen Vorstand angehört, müssen nicht mehr so oft Küchendienst schieben wie die Gründerinnen und Gründer.
Diese wollen studieren, arbeiten, eine Ausbildung machen, ihre kleinen Kinder aber trotzdem bestens betreut wissen, ohne dass das schlechte Gewissen wie ein dunkler Schatten hinter ihnen herläuft. Die Kleinen sollen nicht einfach untergebracht, sondern gut aufgehoben sein. Kein Problem, sagt die Familienpolitik heute, wofür gibt’s U3-Betreuung. Vor 20 Jahren war das Utopie. Mütter und Väter überlegten nicht lang. Sie machten einfach, stellten eine Einrichtung auf die Beine. Die feiert am Samstag ihren 20. Geburtstag.
„40 000 Mark gab’s von der Stadt dazu“, erinnert sich Gründerin Ulla Poller noch heute. Auch daran, dass sie ein bisschen belächelt wurden. Da sie den Bedarf nachwiesen, durften sie machen. Fanden ein Haus, investierten mit 25 Personen 2500 Arbeitsstunden allein bis zur Eröffnung.
Leiterin Andrea Zielmann, die seit 18 Jahren die etwas andere Arbeit auf Augenhöhe mit den Eltern schätzt, wundert sich, dass ihr Beispiel nicht Schule machte in Hattingen. „Wir haben wohl doch alles richtig gemacht“, sagt Gründerin Anke Roßenbeck angesichts des Geburtstags
Nur im ersten Jahr gab’s etwas Knatsch und Personalwechsel, weil auch die Eltern erst lernen mussten, wo es sich lohnt zu diskutieren. Während andere Mütter und Väter sich oft aus den Augen verlieren, wenn die Kinder zur Schule kommen, fahren Gründer und Neue mit Kind und Kegel regelmäßig gemeinsam weg. Der Zusammenhalt klappt, obwohl die Kinder wegen des anderen Konzepts schon immer nicht nur aus Welper kamen und die Tagesstätte noch nie Einzugsbereiche kannte.
Die Schnelllebigkeit macht auch vor dem Haus der Elterninitiative nicht halt. Anders als früher, bleiben jetzt viele Kinder von 7 bis 16 Uhr. Doch statt Kurse in Englisch oder am Computer zu geben, geht das Wolkenzimmerhaus regelmäßig schwimmen mit seinen Schützlingen und hält sich viel draußen auf. Wer seine Kinder trotzdem in Englisch oder am Computer schon in jungen Jahren fit machen möchte, bucht privat einen Kurs. „Die Eltern hatten Biss“, bestätigt Andrea Zielmann den Gründern. Das Konzept war tragfähig. So dass sich auch Imke Veits Kinder hier wohlfühlen können.