Hattingen. .

Als dreckig und schmuddelig galt die Ecke Bahnhof-/Engelbertstraße bei Politik und Bürgern. Jetzt wird sie auch dank neuer Pächter wieder belebt.

Nach 30 Jahren war der Job weg. Ingo Rensen arbeitete bei Opel als Presswerkplaner. Dann die Kündigung. Hingeschmissen hat allerdings der 48-Jährige seine feste Stelle selbst. Und mit seiner Tochter ein Bistro an der Bahnhofstraße 73 eröffnet. Volles Risiko. Auch für Sarah Rensen. Die gelernte Erzieherin war an einer Grundschule beschäftigt, kannte die Gastronomie bis dahin nur als Nebenjobs. Nun ist die 23-Jährige Chefin.

Wegen der Liebe zog Sarah Rensen vor etwa drei Jahren nach Hattingen. Wie der Zufall es will, ist es nun die Lebensgefährtin des Sohnes von Gerhard Marske, die dazu beiträgt, diese ehemals schmuddelige Ecke neu zu gestalten. Über die ärgerte sich Marske nämlich wie manch anderer nicht nur, weil er aus dem Oberwinzerfeld ständig dort vorbeifährt: „Es ist ja ein Eingangstor zur Stadt.“ Er erinnert sich auch noch an seine Zeit im Stadtrat: „Schon vor Jahren war der Schandfleck Thema.“ 1989 machte dort die Nachtbar Copacabana dicht – mitunter Sündenpfuhl genannt. Die Disco Casablanca und der Club Area 51 folgten, blieben nicht lange.

Nun ist die Zeit der Riesenbaustelle an der neuen Brücke vorbei. Der Eigentümer der Immobilien, Heinrich Prygoda, ist heilfroh, dass sein Pächter der Pizzeria die Bauarbeiten wirtschaftlich überlebt hat. Ein Paketdienst hat sich vor sechs Monaten angesiedelt. „Die Ecke belebt sich“, sagt Prygoda. Die Fassaden seiner Häuser hatte er bereits erneuert. Jetzt fehlt noch Haus Nr. 67, das allerdings eine Wittener Firma gekauft hat.

Neu ist auch das Pflaster außen, Beete sind angelegt. „Das ist im Rahmen der Baumaßnahme erfolgt“, so Stadt-Sprecherin Susanne Wegemann. Verantwortlich seien Straßen NRW und Stadt, die hätten mit der Bepflanzung jetzt eine Firma beauftragt.

Das Schild mit dem Namen des Bistros hängt längst: Sago – entstanden aus Sarah und Ingo. Vater und Tochter haben mit vielen Helfern drei Monate lang geschuftet und einen hohen fünfstelligen Betrag investiert. „Wir haben uns als Standort auch die Altstadt angeschaut“, sagt die 23-Jährige. Aber da gebe es so viel. Und Bredenscheid war ihnen dann doch zu weit draußen. In das Lokal an der Bahnhofstraße hat sich Sarah Rensen hingegen sofort „total verliebt.“ Dort leuchten die ehemals knalligen rot- und orangefarbenen Decken nun in Weiß. Die Bänke hat sie selbst bezogen. Einer dunklen Holzwand mit einer Bambus-Fototapete einen asiatischen Hauch verpasst. Es gibt eine große Theke, einen Raucherbereich und bald einen Biergarten, plant die 23-Jährige. „Bis auf das Kühlhaus ist alles neu.“ Auch die Mitarbeiter natürlich. Bei den Vorstellungsgesprächen wurde sich Sarah Rensen bewusst, wie viel Verantwortung sie nun trägt. Vier Servicekräfte auf 400-Euro-Basis beschäftigt sie. Köchin Denise Scheller ist fest eingestellt. Sie hat gerade ihre Ausbildung in Diergardts Kühlem Grund abgeschlossen. „Ich bin jung und habe meine Chance, dann sollen andere junge Menschen sie auch bekommen“, sagt Sarah Rensen. In der Küche hilft zudem eine junge Mutter, die bislang arbeitslos war. Wenn es gut läuft, soll sie einen Halbtags-Job erhalten.

Der von Sarah Rensen und ihrem Vater bedeutet nun eine 87-Stunden-Woche. Selbst am Ruhetag stehen Termine bei Versicherungen, Steuerberater oder Einkäufe an. „Ich hatte erst Sorge um meine Beziehung“, sagt die 23-Jährige. Unbegründet, weiß sie heute. Ihr Partner stehe hinter ihr und dem Bistro. Der Wunsch danach existierte schon lange. Als sie klein war, habe ihr Vater ihr versprochen: „Wenn du groß bist, machen wir ein Eiscafé auf“, erinnert sie sich. „Jetzt haben wir uns einen Kindheitstraum erfüllt.“