Hattingen.

Die kleine Lebensmittelkette des Adolf Kalsbach schloss 1968/69 das letzte Geschäft.

Hill, Plus, Co-op, DS – die Liste der nicht mehr existierenden Geschäfte, in denen Generationen von Hattingern ihre Lebensmittel kauften, ist lang. Ohne den Namen Kalsbach würde jedoch ein wichtiges Kapitel fehlen.

Vor allem aber steckt hinter Kalsbach einer der größten Irrtümer in Hattingens Wirtschaftsgeschichte. Helmut Kalsbach, Enkel des Firmengründers Adolf Kalsbach, klärt auf: „Ich weiß gar nicht wer darauf gekommen ist, dass Hill in Hattingen zugunsten unserer Firma nicht im Filialgeschäft tätig gewesen sein soll.“ Hartnäckig hält sich in der Stadt das Gerücht, die beiden Parteien hätten eine derartige Übereinkunft getroffen. „Aber das“, beteuert Helmut Kalsbach, „ist ein Märchen.“

Verwirrend sind die zusammenhängenden Geschichten beider Unternehmen allemal. „Auch Hill betrieb einige Filialen unter dem Namen Kalsbach, aber die hatten mit der Firma meines Großvaters nichts zu tun.“ Adolf Kalsbachs Ehefrau Alwine war jedoch eine geborene Hill. Zumindest über diese Schiene hatten beide Familien dann doch miteinander zu tun. Und: Sie sind beide im 19. Jahrhundert bekannt geworden. Robert Hill gründete seine Firma im Jahr 1855, Kalsbach zog etwa 20 Jahre später nach. Wann genau, weiß selbst der Enkel nicht mehr. „Das muss in den 70er/80er Jahren des 19. Jahrhunderts gewesen sein.

Das Kalsbach’sche Stammgeschäft befand sich am Steinhagen. Bald kamen Zweigstellen an Orten hinzu, die man spontan überhaupt nicht auf der Rechnung hat: Kalsbach gab es im Welperaner Ortsteil Hüttenau an der Marxstraße, an der Lembeck, am Obermarkt oder an der unteren Bahnhofstraße, unweit der legendären Copacabana. Insgesamt waren es elf Geschäfte, in denen es Lebensmittel wie Nudeln, Butter, Zucker, Salz oder Kaffee aus eigener Röstung gab. Verkauft wurden die Waren nicht in standardisierten Verpackungen wie heute, sondern lose. Für die Lampen gab es Petroleum, im Winter frischen Fisch. Auch für Drogerieartikel suchten die Hattinger ein Kalsbach-Geschäft auf.

Wichtig war das Salzgeschäft, denn das wickelte Kalsbach für die gesamte Stadt ab. Die Waren bezog Kalsbach von heimischen Großhändlern, dazu gehörte Hill, auch Wiegemann und Königs waren eine Hattinger Firma. Molkereiprodukte kamen von Küpper.

„Die Blütezeit der Firma reichte bis in die 20er Jahre hinein“, beschreibt Helmut Kalsbach. Doch zwei Todesfälle ließen den Stern langsam verglühen. „Zunächst kam der Geschäftsführer nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurück.“ Anfang der 30er Jahre kam Adolf Kalsbach bei einem Unfall ums Leben. „Weil kein Testament vorhanden war, rückte eine Erbengemeinschaft an die Unternehmensspitze.“ Die Geschäfte leiteten von nun an Adolf Kalsbach jun. und sein Bruder Walter.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Niedergang fort. „Man hat die Zeit des Renovierens verpasst. Die elf Geschäfte verkamen zu kleinen Tante-Emma-Läden. Nacheinander wurden die Standorte aufgegeben. Ende der 60er Jahre erwischte es auch das Stammhaus am Steinhagen, dem neben dem Verkaufsraum noch zwei Lagerräume und ein Garagenhof gehörten.

Helmut Kalsbach muss nicht lange überlegen, um darzustellen, woran es außerdem, neben den hausgemachten Problemen, haperte: Der 75-Jährige zählt auf: „Erst machen die größeren Unternehmen die kleineren kaputt. Dann werden diese Größeren von den ganz Großen vernichtet. Und die zerstören sich nun gegenseitig.“