Hattingen.
Die Nierenhofer Firma Conze & Colsman stand bis 1970 auch auf Hattinger Territorium. 2003 wurde die Produktion an der Bonsfelder Straße stillgelegt.
Nichts tut sich mehr an der Bonsfelder Straße im Velberter Ortsteil Nierenhof. Hier, an der Nahtstelle zwischen Rheinland und Westfalen, webte einst die Firma Conze & Colsman hochwertige Stoffe für die weiterverarbeitende Textilindustrie. Und das mehr als 200 Jahre lang.
Bis im Jahr 1970 die kommunalen Grenzen in Nordrhein-Westfalen neu gezogen wurden, standen Teile der Produktionsstätten auch auf dem Gebiet des Amtes Hattingen. Weil die Geschäfte der Firma jedoch von der Donnerstraße im tiefsten Langenberg aus abgewickelt wurden, floss nie ein Pfennig oder Cent an Gewerbesteuer in die Hattinger Stadtkasse. Von dort kamen bis zum Schluss aber hunderte Mitarbeiter. Einer von ihnen war Theo Haske. Der heutige Ortsvorsteher der Stadtteile Niederwenigern und Niederbonsfeld trat 1966 als Textilingenieur in die Traditionsfirma ein. Später leitete er die Abteilung Aus- und Weiterbildung und war zudem in die Produktionsplanung eingebunden.
Haske erlebte hautnah mit, wie die Firma kurz nach der Jahrtausendwende zu zerfallen begann. Ein Vorgang, der auch heute noch unglaublich zu sein scheint. „Technisch waren wir immer auf dem neuesten Stand, und die günstiger produzierende Konkurrenz aus Südostasien oder Rumänien haben wir auch abwehren können“, beschreibt Haske. Conze & Colsman lieferte, anders als die Bandweber im benachbarten Elfringhausen, Breitweberware. Haske: „Wir haben Stoffe zwischen 1,20 und drei Metern Breite hergestellt. Und davon bis zu 1,2 Millionen Meter monatlich.“ Die Produkte gingen dann an verschiedene Textilunternehmen. Einer der größten Abnehmer war Steilmann in Wattenscheid. Auch für die Herstellung von Futterstoffen war die Nierenhofer Firma bekannt. 1939 erwarb Conze & Colsman eine solche Fabrik im münsterländischen Billerbeck. Die Produktion wurde noch 1997 an die Bonsfelder Straße verlagert. Sechs Jahre später standen alle Maschinen plötzlich still. Die Schließung des Standortes Nierenhof kam völlig unerwartet – auch für Theo Haske, der daraufhin aus dem Berufsleben ausschied, als Politiker aber bis heute aktiv ist. Aus der Distanz erlebte er, wie es mit seinem ehemaligen Arbeitgeber weiter bergab ging. Nachdem die Produktion 2003 nach Krefeld und Bielefeld ausgelagert, wo viele der 200 Mitarbeiter übernommen wurden, wurde weitere drei Jahre später ein Insolvenzverfahren eröffnet.
In Nierenhof erinnert heute noch der mächtige Bau aus dem Jahr 1887 an die Existenz des Unternehmens, das vom ersten bis zum letzten Tag in Familienbesitz blieb, und in dem einst mehr als 1000 Menschen beschäftigt waren. Die nach Conze & Colsman benannte Bushaltestelle vor dem Werkstor wurde vor mehreren Jahren umbenannt. Sie trägt heute den Namen Fellerstraße.