Hattingen.
Projekt „Lesen macht stark“: 20 Kinder aus russischen und türkischen Familien hören, spielen und erzählen Geschichten.
Gespannt schauen die Kinder die Geschichte von Hokus und Lotus. Weil die kleinen Dinosaurier-Krokodil-Mischlinge ganz nass im Nest geworden sind, bauen sie sich ein Haus. Gleich nach dem Trickfilm liest die Mutter Hilal Göksu die Erzählung noch mal vor. Sie nimmt mit ihrer Tochter Aylin in der Stadtbibliothek am sechswöchigen Projekt „Lesen macht stark“ teil. Es geht um Sprachförderung bei Vorschulkindern.
Die Mädchen und Jungen kommen aus russischen und türkischen Familien. „Wir haben nach der Demografie geschaut“, erläutert Juliane Lubisch vom Bündnis für Familien, einem der Kooperationspartner für das Projekt. Die beiden Migranten-Gruppen seien die größten.
20 Kinder nehmen nun an dem Projekt teil, dessen Kosten Land und Bündnis übernehmen. Um türkische Kinder mit Förderbedarf zu finden, hat Nuray Ates (vom Verein IFAK für multikulturelle Kinder-, Jugendhilfe und Migrationsarbeit) Frauen vom Moschee-Vorstand angesprochen. Wenn die zweite Staffel im Frühjahr beginnt, wollen sie aber auch den Kontakt zu Kindergärten suchen.
Zuhause bei Familie Göksu sprechen alle türkisch und deutsch. „Manchmal mischmasch“, sagt die Mutter während Aylin mit den anderen Kindern im Kreis steht und Wörter wie Hose, Pullover, Nase und Ohren nachspricht. Denn es ist alles nass geworden bei Hokus und Lotus. „Wir sehen die Geschichte, lesen, spielen und malen sie“, sagt Birgül Simsek (IFAK). Die Mütter binden sie ein. Sie erhalten auch Hausaufgaben. Hilal Göksu hat ihrer Tochter Fragen zur Geschichte gestellt und Aylins Antworten aufgeschrieben. Auf dem Blatt, das die Mutter bekommen hat, stehen aber auch Hinweise wie: Lassen Sie ihr Kind eigenständig erzählen, schreiben Sie gemeinsam oder achten sie auf den Wortschatz ihres Kindes.
Gleiches gilt für die zehn Kinder aus russischen Familien, mit denen sich Svetlana Weghaus und Nonna Matskevich ebenso wöchentlich für anderthalb Stunden treffen. Felix (5) zeigt seine Bilder von einem kleinen Tier mit braunem Fell und Segelohren. „Das ist Tscheburaschka“, sagt er ganz selbstverständlich. Der sei im Dschungel in eine Kiste mit Apfelsinen geklettert und an einem Ort gelandet, wo er „gar keine Freunde hatte“, erzählt der Fünfjährige.
Es geht in der Erzählung unter anderem um Identitätsfindung – wie bei den Dino-Kroks. „Wir lesen das Buch auf Deutsch und besprechen es auf Russisch“, erklärt Svetlana Weghaus. Sonst verstünden es viele Kinder nicht. Daher singen sie auch in beiden Sprachen, bevor die Kinder kleine Tscheburaschkas mit großen Ohren basteln. Svetlana Weghaus hat ihren Sohn Lev Ducenko (20) mitgebracht, „damit er akzentfrei deutsch vorliest.“ Die Kinder scharen sich um ihn und hören zu.
Falls sie sich selbst ein Buch aussuchen wollen, „wissen sie nun, in welchen Regalen sie Bücher und Spiele finden“, sagt Beatrix Stracke-Knoll von der Stadtbibliothek. Schließlich soll das Projekt Familien neugierig auf die Bibliothek machen. Hat es: Einige Kinder kommen inzwischen zu Veranstaltungen wie dem Bilderbuchkino und haben jetzt Leseausweise.
Stadt, Land, Bündnis
Lesen macht stark heißt das Komm-In-Projekt, das zurzeit in der Stadtbibliothek läuft. Das Förderkonzept des Landes Komm-in soll laut NRW-Ministerium Arbeit, Integration und Soziales Städte dabei unterstützen, „Prozesse zu optimieren, um die bestmöglichen Voraussetzungen für Integration zu ermöglichen“.
Derzeit werden beim Hattinger Projekt Vorschulkinder aus russischen und türkischen Familien gefördert. Dazu kooperieren die Stadtbibliothek, das Bündnis für Familie, die IFAK (Initiative für ausländische Kinder) als Verein für multikulturelle Kinder-, Jugendhilfe und Migrationsarbeit sowie die Imap ( Institut für interkulturelle Management- und Kulturberatung). Im März startet die zweite Staffel von Lesen macht stark.