Hattingen.

Blindenführhund Max hilft seinem sehbehinderten Herrchen Markus Jensen durchs Leben.

Eigentlich wollten sie Weihnachten in ihrer neuen Wohnung feiern. Familie Jensen sucht schon lange nach vier barrierefreien Zimmern. Denn Vater Markus Jensen und die jüngste Tochter der vierköpfigen Familie sind sehbehindert und leiden an einer fortschreitenden Muskel- und Nervenschwäche (Mitochondriale Myopathie). Eine neue Bleibe haben sie zwar nicht gefunden, dafür Zuwachs bekommen: Max ist eingezogen – der schwarze Labrador ist ein ausgebildeter Blindenführhund.

„Anfangs war es ungewohnt, den Hund überall mitzunehmen”, sagt Markus Jensen. Inzwischen ist Max sein Schatten, sagt seine Frau Nicol lachend. Max begleitet den 39-Jährigen zum Arzt, zur Krankengymnastik oder zum Einkaufen, führt Herrchen zum Neurologen.

Der Rüde darf überall mit, denn rein gesetzlich ist Max gar kein Hund, sondern ein orthopädisches Hilfsmittel. Und das gehört der Krankenkasse. Sie zahlt die Ausbildung (20 000 Euro) sowie monatlich Versicherung, Tierarztkosten und Futter: 147 Euro, sagt Nicol Jensen.

Seit Max da ist, fühlt sich Markus Jensen viel sicherer als allein mit dem Blindenstock. Der Hund führt ihn an Baustellen vorbei, zur Ampel oder zum Bordstein an die Straße. Das Tempo gibt Herrchen vor. „Such Lift” oder „Such Box”, sind nur zwei der vielen Kommandos, die Max bei seiner Ausbildung gelernt hat. Box bedeutet für den Rüden Briefkasten. „Das macht er richtig gut”, lobt Herrchen.

Gelernt hat Max seinen Beruf in der Blindenführhundschule Küch. Dort haben Jensens ihn zum ersten Mal gesehen. „Mein Mann hat ihn gerufen. Max hat ihn angesprungen und abgeschleckt”, erzählt seine Frau. Und da wusste der 39-Jährige sofort: „Das ist er.”

Max ist nach seiner Prüfung mit seiner Trainerin nach Hattingen gekommen. Die ersten zwei Tage hat er noch bei ihr geschlafen. Am dritten ist er bei Jensens geblieben. Die Trainerin hat drei Wochen lang täglich mit Markus Jensen und Max geübt. Kommandos und Stimmlage bei Herrchen oder das Anlegen des Führgeschirrs. Darauf steht nicht nur, dass Max ein Blindenführhund ist, sondern auch: nicht streicheln – ich arbeite.

Der Rüde soll nicht abgelenkt werden. Nach anderen Hunden darf er schauen, aber nicht schnuppern. Ist das Geschirr aber ab, hat Max Pause. Freizeit. Dann darf er alle stürmisch begrüßen, wie es so seine Art ist.

„Er ist ein Pausenclown”, beschreibt sein Herrchen und strahlt über das ganze Gesicht, während Max auf seinen Schoß klettert. Wenn er sich mit Max beschäftigt, über ihn spricht, dann vergisst er, dass es ihm immer schlechter geht. Er hat auf einem Auge noch eine Sehkraft von fünf Prozent. Die Sicht schränkt der Tunnelblick zusätzlich ein. „Manchmal frage ich mich, wie das alles weitergehen soll”, sagt Markus Jensen. Dann kommen die Gedanken an den Rollstuhl. Seine Kraft lässt nach, denn die Krankheit schwächt alle Muskeln und Nerven.

Es gibt Tage, da kann er keine Treppen steigen, bleibt in der Wohnung. Seine Kaninchen-Truppe, die er im Garten der Familie hält, wird er verkleinern. „Ich muss nach jedem Stall, den ich sauber mache, eine lange Pause einlegen.” Beim Rasenmähen hat Max ihn vor einiger Zeit kräftig verbellt und nicht mehr an den Mäher gelassen. „Er hat wohl gespürt, dass etwas mit mir nicht stimmt”, sagt Jensen Wenige Augenblicke später zitterte seine linke Körperhälfte heftig.

Max ist sehr sensibel und feinfühlig, sagt Nicol Jensen. Er ist nicht nur Blindenführhund für ihren Mann, sondern auch Therapiehund für die Töchter. Die 17-Jährige kann manchmal sehr schlecht mit der Situation umgehen. Die Elfjährige hat die Krankheit ihres Vaters geerbt. Zur Schule geht sie mit Begleitperson und ist auf den Laptop umgeschult worden, weil ihr das Schreiben immer schwerer fiel. Zuhause liest sie Max vor oder schüttet ihm ihr Herz aus.

Es sei alles nicht einfach, aber sie malen nicht alles schwarz, sagt die Mutter. „Es ist kein Drama, aber heftig.” Mit Freunden oder bei Musik schaltet sie ab. Im Sommer waren sie bei Bekannten im Allgäu. Dorthin fahren sie auch über Silvester: Ein paar Tage ohne Termine beim Arzt, ohne Therapiestunden – aber mit Max.