Hattingen.
Einen Tag vor Heiligabend ist Schlussverteilung im Insolvenzverfahren über das VSG-Vermögen.
Vom Zimmer des HAZ-Geschäftsführers Peter Wiemann aus blicken Peter Maurer und Ulrich Plitt direkt aufs Weiße Haus, die frühere „Direktorenvilla“, wo auch mal der Betriebsrat untergebracht war. Die ehemaligen Betriebsräte der VSG kommen zum Zug, wenn das Amtsgericht Essen einen Tag vor Heiligabend der Schlussverteilung im Insolvenzverfahren über das VSG-Vermögen zustimmt.
„Resterampe“ nennt die IGM-Bevollmächtigte Clarissa Bader die kleinen Beträge, die dann noch verteilt werden. Keine Resterampe, sondern ein Herzstück war die 8000-Tonnen-Presse. Die Schmiede wurde im Jahr 2003 als letzter Betriebsteil der Henrichshütte stillgelegt. Heinrich Apool, der am 12. Dezember zum letzten Mal den Knopf in der VSG Energie- und Schmiedetechnik drückte, konnte nicht kommen. Er wäre beim Blick aus dem Fenster vermutlich ebenso frustriert wie Peter Maurer und Ulrich Plitt. Alles weg – bis auf einen Hochofen und Museum.
Dabei hätten hier am Standort 300 bis 500 Menschen eine gute Perspektive gehabt, bestätigt auch Bernd Lauenroth, der die Beschäftigten im Gläubigerausschuss vertritt. Zumal die Kapazitäten, die in Hattingen gekappt wurden, im Saarland aufgebaut worden seien. „Es hätte weitergehen können“, sagt Peter Maurer, der das Gelände längere Zeit nicht betreten hat. Er war Betriebsratsvorsitzender und zuletzt Schwerbehinderten-Vertrauensmann. Doch seien damals „die falschen Leute am falschen Ort“ gewesen.
„Säße der Insolvenzverwalter mit am Tisch, würde er das Insolvenzverfahren als erfolgreich bezeichnen, weil es eine Quote von 30 Prozent gebracht hat“, sagt Lauenroth, angesichts von 24 Millionen Insolvenzverbindlichkeiten. Seiner Ansicht nach ist das Verfahren aber schlecht gelaufen, weil kein ausgewiesener Insolvenzverwalter für Fortführung am Werk gewesen sei. In einem Insolvenzverfahren müsse er den Spagat zwischen Abwickeln und Fortführen schaffen. Ein halbes Jahr länger hätte der Standort gebraucht. Denn „dann ist der Markt explodiert“. Es habe auch Aufträge gegeben, so die Betriebsräte, aber keine belegbare Jahresplanung.
Für das Volumen verloren gegangener Arbeitsplätze hat es nur minimalen Ersatz gegeben, so die Runde. Die IG Metall will künftig verstärkt darauf achten, dass Betriebe ihre Leute qualifizieren, so Clarissa Bader. Die Gewerkschaft will genauer auf Stärken und Schwächen schauen.
Maurer und Plitt brauchen keine Qualifizierung mehr mit fast 66 und 61 Jahren. Sie gehören den zwei Personenkreisen an, die noch Geld bekommen. Die Älteren waren am 1. März 2003 55 Jahre und vier Monate alt. Sie verbrachten zwei Jahre in Beschäftigungsgesellschaften und waren so lange besser gestellt als direkt Arbeitslose. Die anderen, wie Plitt, sind die Jüngeren. Zunächst waren Abschläge gezahlt worden von 20 Prozent, der Rest folgt jetzt.
Was kaum noch folgen wird, weiß Peter Maurer: Biografien wie seine. „Ich habe 46 Jahre hier gearbeitet“, sagt er. Es klingt, als könnte er es selbst nicht glauben. Ulrich Plitt, der mit 15 angefangen hat zu arbeiten und „heute 1050 Euro Rente“ kriegt, macht sich Gedanken über die Generation seiner Tochter, die mit 23 in Ausbildung ist.