Hattingen.

Betrachter soll angesichts der Zeichnungen und Radierungen von Zygmunt Januszewski zu sich selbst finden.

Was für ein Gesicht: Die Augen ziehen den Betrachter in ihren Bann. Der Mund klebt unten an der Radierung, würde sich wohl gern Gehör verschaffen. Statt Nase, die die Welt erschnuppert, ein Gefängnis aus gekreuzten Gitterstäben: Kaspar Hauser, wie Zygmunt Januszewski ihn sieht.

Wer ins Stadtmuseum will, kommt an dem polnischen Künstler nicht vorbei. Seine beiden Köpfe zur Gedankenübertragung, die das internationale Aphoristikertreffen in Hattingen ankündigen, prangen groß an der Hauswand. Einem fehlt ein Stück, das dem anderen zufliegt. Drinnen geht es noch am heutigen Samstag um eine kleine Gattung, der sich der tiefsinnige Warschauer ebenfalls verschrieben hat. Zeichnerisch.

Doch anders als die kurzen Sprüche, die sich wieder davonmachen aus Blankenstein – von ihrer Nachwirkung in den Köpfen abgesehen – bleiben diese Werke noch länger erhalten. Hat der Künstler doch deutsche Helden aus polnischer Sicht mitgebracht. Nicht einfach so. Die Ausstellung im Industriemuseum mag beendet sein, Hattinger Helden tummeln sich aber noch bis Jahresende im Museum Blankenstein.

Zu ihnen gesellt sich nun nicht nur jener „rätselhafte Findling“ Kaspar Hauser. Der 1828 in Nürnberg geistig anscheinend zurückgebliebene Jugendliche erregte international Aufsehen. Bei Wasser und Brot wurde er im dunklen Raum gefangen gehalten. Als Gesellschaft bekommt er von Januszewski beispielsweise Struwwelpeter und den Baron von Münchhausen. „Ein bisschen dem Leben anpassen“ wolle er seine Helden.

Die Zeichnungen und Radierungen von 1991 sind nichts für den Konsum im Sauseschritt, kein Fast Food. Der Betrachter muss sich auf sie und ihre Botschaften einlassen. Zygmunt Januszewski, auch ein Meister des Wortes, wie Museumsleiterin Petra Kamburg bestätigt, nimmt sich des Themas nicht heldenhaft hochtrabend an, sondern hat ein Herz auch für die kleinen, für unfreiwillige Helden. Was Aphorismen sprachlich gegen den Strich bürsten, peilt er auch mit seinen Werken an.

Schon als Kind konnte er „keine leeren Seiten in Büchern“ ertragen. Kritzelte sie voll, füllte sie mit „den schnellsten Raketen der Welt, den stärksten Panzern“. Die Eltern ließen ihn gewähren. „Ich hab’ Glück gehabt“, sagt er. Sie auch mit ihm. Schließlich führte ihn seine Kunst an die Akademie der Schönen Künste in Warschau. Kunst und Kultur sind für ihn ein wichtiges Element, heldenhaft hochzuhalten auch in Zeiten klammer Kassen. Die Bedeutung legt er auch seinen Studenten ans Herz, dass „nicht alles monetär“ sein darf, wenn Geist und Seele nicht bei Wasser und Brot gehalten werden sollen wie dereinst Kaspar Hauser. Der Betrachter soll beim Anblick seiner Werke „zu sich selbst finden“.