Hattingen.

Psychotherapeutin Dorothée Isselstein-Mohr über die Angst vor dem Mediziner und Methoden sie zu regulieren.

Der Bohrer surrt, der Patient zittert: Die Angst vor dem Zahnarzt kennen viele Menschen. Was jedoch, wenn die Angst so tief sitzt, dass sie gar nicht mehr zum Arzt gehen? Dann hilft Psychotherapeutin Dorothée Isselstein-Mohr von der Energietankstelle. Mit unserem Mitarbeiter Timo Klippstein sprach sie über die Oralophobie.

Warum haben Menschen Angst vor dem Zahnarzt?

Dorothée Isselstein-Mohr: Es geht dabei nicht um den Zahnarzt. Alle Menschen haben Angst. Menschen haben konkrete Angst vor dem Zahnarzt, weil es eine konkrete Situation ist. Diese kann dann ein Auslöser für eine Angst sein, die ganz anders begründet ist. Der Zahnarzt ist dann der Anlass, bei dem man unbewusst Verdrängtes hervorholt. Etwa ein negatives Erlebnis in der Kindheit, bei dem der Arzt sofort angefangen hat zu behandeln und der Eingriff auch schmerzhaft war. Schmerzen sind auch eine Reaktion auf Angst.

Wenn Angst so zentral ist – was ist Angst?

Angst bedeutet: Wir fühlen Enge. Dabei ist Angst auch ein wichtiger Schutzmechanismus, der Adrenalin ausschüttet und die Wachsamkeit erhöht. Die Psychotherapie unterscheidet zwischen: Furcht vor einer realen Situation; Panik, die sich auf etwas nicht-Reales bezieht und traumatischer Angst mit Bezug zu Weltuntergängen oder Visionen. Das Pendant zu Angst ist Sicherheit. Die muss ein Patient fühlen beim Arzt.

Was sind die Folgen, wie verhalten sich die Patienten?

Etwa 20 Prozent der Bevölkerung gehen aus Angst nicht zum Zahnarzt. Andere wollen ihren Mund nicht öffnen. Das führt zu Kopfschmerzen, der Kiefer verspannt – die Zähne als Initiator von Krankheiten. Auch Organe können davon betroffen sein. Patienten schlafen nicht vor dem Arzttermin, haben Durchfall oder Schwindel – Symptome der Psychosomatik. Die Organe sind auf Hochspannung. Angst ist Stress, es können chronische Erkrankungen entstehen.

Wie geht man mit der eigenen Angst um? Wie fühlt man sich sicher beim Arzt?

Zuerst muss ich mir meine eigene Angst vertraut machen. Problematisch sind dabei gesellschaftliche Stereotype wie „Stell dich nicht so an“, „Reiß dich am Riemen“, „Jungen weinen nicht.“ Das sind Denkfallen. Das zeigt: Wir können unsere Angst nur begrenzt ausleben. Dies verstärkt Angst und verdrängt sie auch. Man muss Vertrauen zum Arzt aufbauen und selbstbewusst sagen, wenn man sich bei ihm nicht wohlfühlt. Patienten sollten ihrem Gefühl vertrauen, auf non-verbale Zeichen und den ersten Eindruck achten.

Wie arbeiten Sie?

Ich setze Techniken zum Atmen ein, autogenes Training oder Muskelentspannung. Kinder zeigen Angst deutlicher als Erwachsene. Mit ihnen arbeite ich weniger mit Gesprächen, sondern unbewusster mit Musik, Malerei oder Rollenspielen. Bei Erwachsenen geht es um die Visualisierung der Angst. Ein Klient hat dazu einen großen Stein mitgebracht. So kann man Angst konkret erfassen und ganz wichtig: lernen sie zu regulieren.