Brennende Fackeln weisen den Weg durch die Dunkelheit: Sie führen durch den Park der Henrichshütte. Das Blattwerk der Bäume erstrahlt in Grün und Blau. Dann fällt der Blick auf die gigantische Mauer, auf der weiße Wörter leuchten.

Lichtkünstler Andreas M. Kaufmann (49) lässt einen Teil der alten Stützmauer am ehemaligen Ruhrlauf bestrahlen. Auf der 90 Meter langen historischen Bruchsteinwand - zwischen dunklem Wald und stillem Ruhrwasser - lesen Passanten typische Ausdrücke des Ruhrpotts: vom „Schlamassel“ und „schäbbig“ über die „Stulle“ bis zum „Pläuschken“. Die Wörter hat Kaufmann aus dem Ruhrgebietslexikon von Werner Boschmann ausgewählt. Meterhoch strahlen die Buchstaben, die Wörter reihen sich in alphabetischer Folge.

Vom Weg aus blicken Zuschauer hoch zur Mauer, sprechen und schmunzeln über die Ruhrpott-Sprache. „Wir amüsieren uns über die Ausdrücke“, sagt Udo Lübsen (46), der aus Norddeutschland angereist ist und die Steinwand „grandios“ findet. „Einige Ausdrücke kenne ich überhaupt nicht Das finde ich interessant.“ So fragt er sich nach der Bedeutung des Wortes „Pittermesser“, das ein kleines Küchenmesser zum Kartoffelschälen bezeichnet.

Auch Radler schieben ihre Fahrräder den Weg entlang, Spaziergänger mit Hunden schauen neugierig in die Höhe. Ewald (72) und Hiltrud (69) Schwede sitzen entspannt auf einer Bank am Ufer und betrachten die Lichtinstallation. „Die Idee ist wirklich toll und auch, dass an diesem Platz etwas stattfindet.“ Über ihre eigene Ausdrucksweise sagen sie: „Wenn wir im Urlaub sind, erkennen alle sofort, dass wir aus dem Ruhrpott kommen.“

Musiker Peter Brand und Joe Doll spielen heitere Melodien mit Saxophon und Keyboard, sorgen mit Liedern wie „Buona Sera Signorina“ für eine klangvolle Spätsommernacht.

Geschäftsführer des Stadtmarketings Georg Hartmann begrüßt die Gäste: „Herzlich willkommen an dem Ort seine Sprache.“ Bürgermeisterin Dagmar Goch sagt zu dem historischen Platz: „Die Mauer war früher eine Grenze, trennte die Wohnstadt von dem Arbeitsort. Dieser Ort war früher eine verbotene Region, an der malocht wurde. Heute macht die Mauer den Wandel im Ruhrgebiet deutlich, hier findet jetzt Kultur statt.“ Die Zuhörer applaudieren und freuen sich über das Projekt „Ruhrlights“ der Kulturhauptstadt. In sechs weiteren Städten, zwischen Hagen und Duisburg, sind im September Lichtinstallationen verschiedener Künstler zu sehen. M. Kaufmann erklärt zu den Werken: „Die historischen Orte, die alle zur industriellen Revolution gehören, und die hier gesprochene Sprache werden zusammengebracht.“ Was der Lichtkünstler erreichen möchte: Menschen sollen über die Sprache nachdenken und ihre Phantasie soll durch die Ausdrücke angeregt werden. „Die Sprache des Ruhrgebiets ist sehr bildhaft, die ausgewählten Begriffe kommen zwar allen bekannt vor, im Buch nachgeschlagen überraschen sie aber oft mit einem Bedeutungswechsel.“ So bezeichnet „klemmen“ auch „stehlen“. Manchmal muss man mit dem Wort einen Satz formulieren, um es zu verstehen. Etwa hier: Ich schaller dir gleich eine!