Hattingen.

Der städtische Schlachthof wurde wegen der Diskussion um verdorbenes Fleisch im 19. Jahrhundert gebaut.

Die Diskussion um verdorbenes Fleisch ist kein Kind des frühen 21. Jahrhunderts. Schon im 19. Jahrhundert wurde sie geführt, in Hattingen zwischen 1877 und 1894 sogar sehr intensiv. Das Ergebnis: der Bau eines städtischen Schlachthofes.

Damit sollte einerseits verhindert werden, dass schlechtes Fleisch eingeführt und verkauft wird und hinterher in den Mägen der Bürger landet. Die Stadtväter hätten sich darum nicht kümmern müssen, wenn es nicht Fälle dieser Art gegeben hätte. Gleichzeitig schlachteten im Prinzip alle in der Innenstadt ansässigen Metzger ihre Tiere vor Ort. Eine Kanalisation nach heutigen Vorstellungen fehlte. Es kam, so besagt ein Zeitungsartikel, „zu Unannehmlichkeiten“. In einer parallelen Diskussion kam die Frage der Rentabilität auf. Schließlich wollte sich die Stadt nicht in Unkosten stürzen.

Tatsächlich ging die Rechnung auf. Durch die etwa 4300 Schlachtungen im Jahr 1895 floss sogar ein Überschuss von 4500 Mark. Man war mit dem Betrieb im jungen Gewerbegebiet am Beul zufrieden. Allerdings: Die ursprünglichen Einrichtungen waren recht spartanisch. Ein Verwalterwohnhaus und eine Aufseherwohnung gab es zwar, ein Kühlanlage jedoch erst ab 1899. Die Anpassung an die jeweils gültigen Hygienevorschriften zog sich wie ein roter Faden durch die 88-jährige Geschichte des Schlachthofes.

Für mehrere hunderttausend Tiere war er die Endstation. Unter ihnen befanden sich in erster Linie Schweine und Rinder, aber auch Pferde und ab den späten 1970er Jahren Schafe. „Das kam durch die gestiegene Zahl an Muslimen“, begründet Metzgermeister Emil Müller (63).

Er kennt sich aus mit der Geschichte des städtischen Schlachthofes. Schließlich hatte er in vielfacher Hinsicht mit ihm zu tun: Natürlich als Chef seiner eigenen Metzgerei, aber auch als Mitglied der Metzgerinnung, der er nach einer Unterbrechung inzwischen wieder als Obermeister vorsteht, und als Mitglied des Schlachthof-Ausschusses.

Und: Er weiß, wie und warum es ab der zweiten Hälfte der 70er Jahren mit dem Schlachthof zu Ende ging. Die Zahlen sind markant: 1977 wurden noch gut 24 000 Schweine geschlachtet, 1978 waren es nicht einmal mehr 13 000. „Damals ist ein Großschlächter abgesprungen“, erinnert sich Müller. „Hinzu kamen Kostensteigerungen bei Strom und Wasser.“ Die Stadt subventionierte den Betrieb bereits vor dem Knick. Zuschüsse von knapp 300000 Mark in der Spitze wurden erforderlich. Müller: „Man überlegte auch, den Schlachthof zu privatisieren. Aber einen Tag vor der Vertragsunterzeichnung sprang der Interessent ab.“

Ein zweites Eisen hatten Hattingens Metzger zur Rettung des Hofes aber noch im Feuer. „Gemeinsam mit einigen Kollegen hätten wir den Schlachthof beinahe gekauft. Aber die Firma Mönninghoff besaß eine Option auf das Grundstück und beharrte darauf.” Zum Jahresende 1982 kam dann das Aus. Emil Müller und Kollegen schlachteten fortan in Bochum weiter.