Hattingen. .

Wenn Wahllokale schließen, wird’s im Rathaus hektisch. Hermann Reiser ist seit 40 Jahren dabei, auch bei der WM 1970.

Die schlimmsten Stunden sind morgens zwischen sieben und acht, sagt Hermann Reiser (60). Dann ist er nervös, ob alle Wahllokale öffnen. Denn es kam schon vor, dass ein Wirt verschlafen hatte oder die Wahlzelle samt Urne weg gewesen ist. Gestern wird Reiser kribbelig, als ein Wahlvorstand fehlt. „Der steckte in einer Polizeikontrolle fest“, sagt der Fachbereichsleiter. Zum Glück kam er pünktlich.

Am Nachmittag treffen die Briefwahlvorstände im Rathaus ein. Mit ihren Helfern kontrollieren sie die Gültigkeit der Briefwahl. Sie reißen jeden roten Briefumschlag auf und prüfen den Wahlschein. Hat der Wähler unterschrieben, landet der blaue, verschlossene Umschlag mit den Kreuzen erst in der gelben Kiste, dann in der Wahlurne. Ab 18 Uhr zählen sie die Stimmen aus. Hermann Reiser beantwortet entspannt Fragen, hält Kontakt zu den Wahllokalen. „Die Kollegen sind in die Aufgaben hineingewachsen. Die schmeißen den Laden.“ Von ihm hänge das nicht mehr ab, sagt der Wahl-Manager.

Die Kisten für die Stimmzettel haben die Wahlvorstände aus den Stadtteilen am Vortag im Rathaus abgeholt. Tassen, Kaffeemaschinen und Sprudel auch. Die Organisation dauere Monate, sagt Reiser. Am Wahltag fahren Mitarbeiter bis 15 Uhr in die Wahllokale und sammeln Briefwahlumschläge ein. Andere kümmern sich um die sieben Anträge auf Briefwahl wegen plötzlicher Erkrankung. Es sind vor allem Patienten aus dem Evangelischen Krankenhaus. Sie bekommen den Antrag samt Briefwahl-Umschlag ans Bett geliefert. Der Stadtbote nimmt beides wieder mit ins Rathaus.

„Ab 18 Uhr wird es hektisch“, sagt Barbara Vogelwiesche. Im Kleinen Sitzungssaal druckt sie die Ergebnisse aus. Damit sie dort landen, rufen die Wahlvorstände im Rathaus an und werden an die Annahmeplätze verbunden. An den Telefonen an der Bahnhofstraße sitzen etwa 20 Mitarbeiter, die die Ergebnisse erfassen. Die hängen später im Rathaus aus. „Dann haben wir es geschafft“, sagt Barbara Vogelwiesche. Für den Wahltag zumindest, denn am folgenden werden die Wahlniederschriften kontrolliert.

Am Wahlabend steht ein Fernseher für Hochrechnungen im Konferenzraum, erklärt Reiser. Bei seiner ersten Wahl gab es auch einen im Ratssaal. Das Bild war schwarz-weiß. Übertragen wurde die Fußball-WM 1970. „Uwe Seeler köpfte uns gegen England ins Halbfinale“, erinnert sich Reiser. „Ich glaube, ich habe es gesehen.“ Damals war er 21 und Stadtinspektor. Die Wahlergebnisse trug er handschriftlich in Listen ein.

Inzwischen leitet er seit mehr als 21 Jahren den Fachbereich. Seine Stimme hat er rechtzeitig per Briefwahl abgegeben. Wen er gewählt hat, verrät er nicht. Nur so viel: „Es ist die gleiche Partei wie damals vor 40 Jahren.“