Hattingen.
Der Gewässerschutz-Verein hat in Niederwenigern Werte gemessen, die die Ökologie der Nordsee belasten. Der Nitratgehalt im Wasser der Hattinger Ruhr ist zu hoch.
Tote Fische, Sauerstofflöcher, Algenblüten in der Nordsee – alles Probleme, die weit weg erscheinen. Aber für diese sei auch der Nitratgehalt in der Hattinger Ruhr verantwortlich. Und die Bauern. Die Ruhr werde durch die Landwirtschaft gebeutelt – das meldet der Verein zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse (VSR Gewässerschutz). In Niederwenigern wurde beispielsweise ein Wert von 13,9 Milligramm pro Liter gemessen. Der „Rat von Sachverständigen für Umweltfragen“ der Bundesregierung empfiehlt einen Wert in Höhe von maximal 7,9 mg/l.
Das Nitrat gelange mit dem Dünger vom Feld ins Grundwasser, dann über die Ruhr in den Rhein und schließlich in die Nordsee. „Dort beobachten wir regelmäßig Fischesterben“, sagt Harald Gülzow, Sprecher des Gewässerschutz-Vereins. Der betont: Meeresschutz beginnt im Binnenland.
Kein Problem für die Trinkwasserversorgung
Für die Trinkwasserversorgung stellen die Nitratkonzentrationen in der Ruhr kein Problem dar, sagt der Gewässerschutz. Denn der Grenzwert für Trinkwasser von 50 Milligramm pro Liter werde nicht überschritten. Aber um die Ökologie zu schützen, fordern Experten einen den deutliche niedrigeren Nitratwert von 7,9 Milligramm pro Liter in Flüssen, die direkt oder indirekt in der Nordsee münden – so wie die Ruhr.
Bei der Messfahrt, die auch durch Hattingen führte, stellte der Verein fest: Wo landwirtschaftliche Nutzung beginnt, steigt der Nitratgehalt. In der Ruhrquelle liege er beispielsweise bei „traumhaften“ 3,5 Milligramm pro Liter.
In der Ruhr ist Harald Gülzow kein Fischesterben bekannt. Auch wenn das Wasser sich vor einem Wehr staue und Algen wachsen. Denn fließt die Ruhr dann durchs Wehr, werde sie wieder mit Sauerstoff angereichert, und der Fluss erhole sich. Um aber die Ökologie in der Nordsee zu erhalten, seien auch Hattinger Bürger und Bauern gefragt. Landwirte müssten bewusst düngen, sagt Gülzow. Heißt: Dann, wenn die Pflanze es brauche und auch nur so viel, wie sie brauche. Stattdessen seien die Landwirte dazu übergegangen, lieber einmal kräftig zu düngen, statt fünf Mal bei Bedarf aufs Feld zu fahren. Gülzow: „So sparen sie teure Arbeitszeit.“ Hinzu kommt die Gülle: „Da wird nicht geguckt, was braucht die Pflanze, sondern wie voll der Güllebehälter ist.“Das Nitrat daraus gelange ebenfalls über das Grundwasser in die Ruhr.
Vorwürfe zurückgewiesen
Auf dem Bauernhof Stallmann in Niederwenigern kennt man die Vorwürfe. Und entgegnet: Es gelange kaum Nitrat ins Grundwasser, weil die Pflanzen das meiste aufnehmen. Sie selbst kaufen kaum Dünger, benutzen weniger als früher. „Der ist teuer.“ Sie fahren Gülle und Mist . Die Menge sei natürlich auch deshalb größer geworden, weil Bauern heute in der Regel mehr Tiere haben. Wie die Stallmanns: Die Zahl der Milchkühe ist von neun auf 30 gestiegen. Sonst könne man in der Landwirtschaft nicht überleben. „Wir müssen wirtschaften."
Wie viel Dünger der Bauer tatsächlich aufs Feld fahre, das sollte der Verbraucher im Blick haben, sagt Gülzow. Wer sein Gemüse beim Discounter kaufe, wisse doch, dass es von Landwirten komme, die riesige Mengen anpflanzen. „Der Bürger fördert mit seinem Einkaufsverhalten bestimmte landwirtschaftliche Produktionen“, sagt Gülzow. Auf dem Wochenmarkt hingegen könne man den Landwirt ansprechen. Der wisse dann, dass seine Kunden ihn beobachten und werde nicht riskieren, sie zu verlieren. Beim ökologischen Landbau kontrollieren die Verbände die Landwirte, sagt Gülzow. Bio zu kaufen, bleibt aber auch eine Frage des Geldbeutels.
Ganz gleichgültig sollte die Qualität der Gewässer niemandem sein. Die spiele für den Hattinger spätestens dann eine Rolle, wenn er an seinen Nordseeurlaub denke. Wer will schon inmitten toter Heringe schwimmen – 2009 sind unzählige davon auf Sylt angeschwemmt worden.