Hattingen. 45 Frauen zwischen 46 und 88 Jahren ziehen sich aus. Und tun damit Gutes. Denn der Erlös ihres Akt-Kalenders zum Kulturhauptstadtjahr ist für sterbende Kinder im Hospiz.

Als Achtjährige war Biggi Slongo das letzte Mal in Hattingen. Mit ihren Eltern. „Davon gibt es Fotos”, erzählt die 62-Jährige, die heute als gestaltende Künstlerin in Zürich lebt. Jetzt ist sie nach Hattingen zurückgekommen. Wieder entstehen Fotos von ihr: nackt. Nur ein durchsichtiges rotes Tuch umhüllt sie vor der Kulisse der Henrichshütte. Alles für einen guten Zweck. Denn aus Bildern von 45 Frauen entsteht ein Benefiz-Aktkalender, dessen Erlös an Kinder-Hospize übergeben wird.

45 Frauen machen mit

Elke Marita Stuckel-Lotz, Initiatorin des Aktkalender zum Kulturhauptstadtjahr 2010 Foto: Martin Möller
Elke Marita Stuckel-Lotz, Initiatorin des Aktkalender zum Kulturhauptstadtjahr 2010 Foto: Martin Möller © WAZ | WAZ





Die Idee hatte Elke Marita Stuckel-Lotz (61). Die stellvertretende Landrätin aus dem Kreis Recklinghausen plant seit 30 Jahren Kulturprojekte wie Frauenabende im Kino. Als der Film Kalender Girls lief, stürmten 500 Frauen das Kino. Er beruht auf einer wahren Geschichte: Frauen ziehen sich für einen Kalender aus und bezahlen aus den Einnahmen die Leukämie-Behandlung eines Ehemannes. Und Elke Marita Stuckel-Lotz beschloss: „Das machen wir auch.” Die Hertener Kalenderladies erschienen als Benefiz-Kalender 2005 – das sollte es gewesen sein. „Aber die Presse hat mich gedrängt”, erzählt Elke Marita Stuckel-Lotz lachend. Erst drehte 2008 ein WDR-Redakteur einen Film über das Projekt. Es folgten unzählige Zeitungsberichte. Rund 200 Frauen meldeten sich für eine Neuauflage.

Bei den Castings hat Elke Marita Stuckel-Lotz nun 45 Frauen zwischen 46 und 88 Jahren ausgesucht. Ihre Fotos sollen keine Erotik-Bilder werden. Scham oder Brustwarzen sollen nicht zu sehen sein – Brust und Po sind ok. Da werden sicher einige Männer und Frauen die Fotos doch erotisch finden, glaubt Elke Marita Stuckel-Lotz. „Ich werde mich wohl auch wieder opfern müssen.” Dabei gehe sie nicht einmal in die Sauna.

2005 war sie Miss November. Nach den Aufnahmen hatte sie zunächst Bauchschmerzen – dann Heiratsanträge und Liebesbriefe. Den Kalender kaufte sogar der Landrat für die Amtsstube und Pastoren für Gemeinden. Unter den Frauen sind jetzt Pastorengattin, Küsterin, Kindergärtnerin, Beamtin oder städtische Angestellte. Sie haben in reiferen Jahren ein anderes Verhältnis zu Falten und Pfunden, sagt Elke Marita Stuckel-Lotz. Sie könnten besser mit ihrem Körper umgehen. Eine 88-Jährige wollte es nochmal krachen lassen und kam mit Enkel zum Foto-Termin. Der fand seine Oma: „Echt cool”.

Biggi Slongo posiert vor der Hütte im Sonnenschein vor der Kamera des Fotografen Peter Schulz. Die 62-Jährige schlingt sich das transparente Tuch um den nackten Körper. Sie landet zweimal im Kalender, denn sie hat in ihrer Geburtstadt Gelsenkirchen bereits Bilder gemacht. Ganz elegant im Schloss. Der Kontrast in Hattingen begeistert Elke Marita Stuckel-Lotz: „Mit ihren feuerroten Haaren passt sie richtig gut vor den rostigen Hintergrund”. Und Biggi Slongo passt zum Eisen: Ihre Eltern hatten einen Eisenwarenfachhandel. Sie war nach dem Krieg in Deutschland die erste Frau, die als Metallfachfrau ausgebildet wurde. Nun wird sie Miss Herbst – ihr Foto soll eine Herbst-Woche im Kalender schmücken.

Fast wäre auch eine Hattingerin zur Kalenderlady geworden. Sie kam mit Ehemann zum Casting. Ob das ein Fehler war, fragt sich Elke Marita Stuckel-Lotz schmunzelnd. Fest steht: „Die 48-Jährige ist danach leider abgesprungen”.

Zehn Euro je Kalender gehen an Kinder-Hospize

Der Benefiz-Aktkalender erscheint zur Kulturhauptstadt 2010 im April im Buchhandel: als Wochenkalender ab Dezember 2010 bis Januar 2012. Für ihn zogen sich 45 Frauen in 53 Städten aus. Auflage: 10 000. Beim Proto-Typen „Hertener Kalenderladies” 2005 waren es 1500. Für den zweiten Kalender waren zunächst Fotos ausschließlich in den Kreisstädten geplant – nun werden sie im ganzen Ruhrgebiet gemacht. Der neue Kalender soll 20 Euro kosten. Nach Abzug der Produktionskosten hofft Initiatorin Elke Marita Stuckel-Lotz zehn Euro je Kalender u.a. an Kinder-Hospize spenden zu können. 2005 ging das Geld an ein Mädchenhaus und ein Kinderschutzhaus an der Tschechischen Grenze.