Drogenberatung warnt vor hohem Wirkstoffgehalt. Die 47 Pflanzen der Ruhrauen-Plantage sind geschreddert.
„Die sind vernichtet”, sagt Rainer Gieseker, Sprecher der Kreispolizei. Die Cannabisplantage in den Ruhrauen war einer Frau beim Spaziergang aufgefallen, weil es roch „wie in Amsterdam”. Internet-Kommentatoren haben sich mokiert darüber, dass die Gewächse geschreddert wurden und haben die Tippgeberin als Denunziantin bezeichnet. Die Ordnungshüter freuen sich eher über Zivilcourage, auch wenn jemand einen Betrunkenen am Steuer meldet.
Die 47 Pflanzen werden sich wohl kaum selbst ausgesät haben. Gegen die Möglichkeit, jemand könnte dort in Panik Eigenbedarf weggeworfen haben, spricht: Sie standen dafür zu sehr in Reih und Glied. Deshalb glaubt Gieseker auch nicht, dass die Pflanzen aus Versehen mit Vogelfutter eingeschleppt worden sind.
Wieviel sie auf dem Schwarzmarkt wert gewesen sein könnten, darüber lässt sich nur spekulieren laut Polizei. Der THC-Gehalt ist nicht bekannt, jener Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, der im Kopf so dröhnt. Der Preis ist davon abhängig. Ein bis zwei Gramm kosteten vielleicht zehn Euro. „Das ist schon eine Menge”, kommentiert Gieseker die 117 Kilogramm, und spricht von einer wirklich „großen Plantage.”
Marianne Zetzsche, Sprecherin des Elternkreises drogengefährdeter Kinder und Jugendlicher, findet den Anbau in den Ruhrauen „nicht zu fassen” und wirklich unglaublich. „Ich war platt.” Die Selbsthilfegruppe hat 150 Mitglieder. Dazu zählen in letzter Zeit sehr viele junge Eltern, deren Kinder schon mit 13, 14 Jahren Cannabis nicht mal probieren oder am Wochenende konsumieren, sondern exzessiv.
Vor 14 Tagen hat sie mit Hauptschülern aus der achten Klasse diskutiert, die sehr aufmerksam gewesen seien, mit sich reden ließen. Sie hat ihnen klar gemacht, dass sie sich „ihr Leben verbauen” und dann oft keine zweite Chance bekommen. Viele Firmen würden Drogentests machen.
„Hasch ist nie harmlos”, erklärt Branko Wositsch, Leiter des Suchthilfezentrums und zuständig für Drogenberatung. Schon gar nicht für Jugendliche oder gar Kinder. Die THC-Konzentration sei höher als früher, die Wirkung schwer einschätzbar.
Weil aber die Zahl der jungen Konsumenten weiter ansteigt, setzt die Caritas auf unterschiedliche Angebote für „Einsteiger” oder Therapiegruppen für diejenigen, die schon tiefer verstrickt sind.
Die Ursachen seien oft vielfältig. Sie reichten von Neugier, dem Wunsch auszuprobieren über den Gruppendruck Gleichaltriger bis zum Stress mit Eltern oder Schule.
Für den Eigengebrauch war die angebaute Menge jedenfalls viel zu hoch. Selbst wenn die 117 Kilo beim Trocknen um zwei Drittel geschrumpft wären, bleibt immer noch eine Menge übrig. Pflanzen unter Lampenlicht drinnen lassen zwar den THC-Gehalt steigen, so die Polizei. Doch die Naturbeleuchtung nahe dem Wasserschloss Kemnade reichte, die Gewächse über zwei Meter hoch werden zu lassen.
Was Anbauer und Händler erwartet, wenn die Polizei sie erwischt? Das kläre das Gericht, sagt Gieseker. „Auf jeden Fall eine Freiheitsstrafe.”
Kommentar:
Vorbild und Taten statt Drogen
„Worte sind die mächtigste Droge, welche die Menschheit benutzt”, fand Schriftsteller Kipling. Sie nutzen sich aber ab, Menschen werden ihrer müde, wenn nur Sprüche geklopft werden und keine Taten folgen. Die Selbsthilfegruppe drogengefährdeter Jugendlicher freut sich, dass Achtklässler zugänglicher sind als früher für Vorträge und Einblick in Familien mit Drogenproblemen, Worte mit Inhalt positiv aufgenommen werden. Ihre Fragen zeigen aber auch, was sie wollen: Vorbilder. „Rauchen oder trinken Sie?”, wurde Marianne Zetzsche gefragt. Jugendliche müssen früh darüber informiert werden, was sie gar nicht erst ausprobieren sollte. Erwachsene müssen ihnen zeigen, anders mit Frust umzugehen, Alternativen bieten und lebenswerte Bedingungen, die Drogen überflüssig machen. (Brigitte Ulitschka)