Aus den Jobagenturen im Kreis: Monatlich wird der Regelsatz in über 500 Fällen gekürzt. Überwiegend wegen kleiner Versäumnisse.

Die aktuelle Debatte bewegt sich irgendwo zwischen „spätrömischer Dekadenz” und „geistigem Sozialismus” – und die folgende Forderung ist so reflexhaft wie populistisch: Faulen Langzeitarbeitslosen kommt der Staat am besten mit strengeren Strafen bei.

Doch passt der Ruf nach härteren Sanktionen überhaupt zur Realität in den Job-agenturen? Der Leiter der Hattinger Agentur verneint: „Wir halten die bestehenden Regeln für sinnvoll und ausreichend”, sagt Jürgen Ubowski.

Ein Blick auf die Zahlen: Im Oktober 2009 wurde kreisweit in 556 Fällen der Hartz IV-Regelsatz von 359 Euro aufgrund von Verfehlungen der Bezugsperson gekürzt. „In der Statistik gibt es keine großen Ausreißer. Die Zahlen sind von Monat zu Monat meist ähnlich”, sagt Kreispressesprecherin Karin Wacker. Die Sanktionsquote im EN-Kreis liegt mit 2,8 Prozent leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 3 Prozent und knapp über dem NRW-Mittelwert von 2,5 Prozent.

Der größte Teil der Sanktionen, nämlich 43,7 Prozent, musste wegen Meldeversäumnissen verhängt werden. Ein ausgelassener Termin in der Jobagentur oder eine vergessene Rückmeldung – schon könne Hartz IV um zehn Prozent gekürzt werden, weiß Wacker. Wie auch wegen fehlender Eigenbemühungen: In 28 Prozent der Fälle schrieben die Betroffenen von selbst keine Bewerbungen. Karin Wacker: „Bei über 50 Prozent der Sanktionen wird um weniger als 100 Euro gekürzt.”

Drastischer fallen die Einschnitte aus, wenn ein Hartz IV-Empfänger eine Stelle ablehnt oder Qualifizierungsmaßnahmen verweigert: „Dann können zunächst bis zu 30 Prozent, im Wiederholungsfall sogar bis zu 60 Prozent gekürzt werden”, sagt Karin Wacker: „Bei der dritten Sanktion in einem Jahr kann der Satz auf Null fallen.” Das sei aber ebenso die Ausnahme wie die Ablehnung einer Stelle: „Es kommt selten vor”, sagt Wacker mit Blick auf die 39 von 556 Fällen, in denen im Oktober Langzeitarbeitslose einen Arbeitsplatz ablehnten.

Die Zahlen legen den Schluss nah, dass schärfere Strafen im EN-Kreis ins Leere gehen würden – weil es den Adressaten, den arbeitslosen Arbeitsverweiger offenbar nicht massenhaft gibt. Viel häufiger als an eigener Faulheit scheitern Hartz-IV-Empfänger offensichtlich an der Kommunikation mit den Job-agenturen und an terminlichen Absprachen.