Hattingen/EN-Kreis. Was gehört in den Biomüll? Selbst Stahlträger fischte die AHE aus Containern. Die Folge: Die Gebühren für die Müllentsorgung steigen - für alle.

Wirklich alles, was in der Biotonne landet, kann verwertet werden. Zumindest in der Theorie. Denn das, was das Abfallunternehmen AHE so alles aus dem Biomüll fischt, hat damit oft überhaupt nichts zu tun. Das ist ein massives Problem, auch weil es am Ende dafür sorgt, dass jeder höhere Müllgebühren zahlen muss, als notwendig. Vor allem Hattingen steht beim Biomüll schlecht da.

Der Biomüll aus Hattingens Haushalten landet bei der AHE-Vergärungsanlage in Witten. Im vergangenen Jahr wurden 2264 Tonnen Biomüll aus Hattingen angeliefert. Das sind mehr als 100 Tonnen weniger als im Jahr zuvor. Und im Fall des Biomülls ist das kein gutes Zeichen. Denn es deutet darauf hin, dass es die Hattinger mit dem Trennen wieder nicht mehr so genau nehmen und mehr Biomüll im Restmüll landet.

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„Es gibt insgesamt einen Rückgang bei den Müllmengen. Auch beim Restmüll. Woran das liegt, können wir nicht sagen“, erklärt Stadtsprecher Julian Mawick. Allerdings sank die Menge des Restmülls nur um 20 Tonnen auf 7708 Tonnen im Jahr 2023. Hattingen war kreisweit sogar Schlusslicht in Sachen Mülltrennung.

Immer wieder versucht die Stadt deshalb, für eine bessere Mülltrennung zu sensibilisieren. Die Besuchstermine mit Kindergärten und Schulen auf dem Betriebshof sind restlos ausgebucht. Für den Sommer ist erneut eine Aktion geplant, um Geflüchteten die Mülltrennung näherzubringen.

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Doch zurück zur Verwertung des Mülls: „Genau genommen ist Biomüll das, was vor und nach dem gefüllten Teller anfällt, sowie Grünschnitt aus dem Garten“, beschreibt Johannes Einig, was in die Tonne gehört. Heißt: Essensreste, alte Lebensmittel, Obst- und Gemüsereste, deren Schalen, Eierschalen, Kaffeesatz und Kaffeefilter, Tee, Teebeutel, Küchenpapier, Grün- und Strauchschnitt, Laub, und Blumen kommen in diese Tonne.

In den Biomüll gehört neben Grünschnitt alles vor und nach dem Kochen.
In den Biomüll gehört neben Grünschnitt alles vor und nach dem Kochen. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Doch große Container entlang der Biogasanlage sind mit ganz anderen Dinge gefüllt: Berge aus Plastik-Teilen, Dosen, beschichteten Folien. Hunderte Kilogramm, die im EN-Kreis im Biomüll landen.

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Sogar einen Stahlträger fanden die AHE-Leute bereits im Biomüll. Wie passt der denn in die Tonne? „Er wird maximal etwa 50 Zentimeter lang gewesen sein“, sagt Einig. Das größere Problem sind allerdings die Dinge, die möglicherweise oft aus Bequemlichkeit mit in der Biotonne landen: Die Verpackung der angeschimmelten Tomaten, der halbe Joghurt samt Becher oder das Gurkenglas mit einer einzigen Gurke und dem Wasser darin.

Was aus Biomüll wird

Letztendlich entstehen drei Produkte aus Bioabfall: Methangas, flüssige Gärrückstände und Kompost.

Die festen und flüssigen Anteile werden als Dünger eingesetzt. „Sie dienen als Bodenverbesserer auf Agrarflächen und fördern die Fruchtbarkeit von Böden“, sagt Johannes Einig. Nicht zuletzt, weil sie so wieder in den Lebensmittelkreislauf gelangen, sei es besonders wichtig, auf Mülltrennung zu achten. Das Methangas wird in Blockheizkraftwerken zur Strom- und Wärmegewinnung genutzt.

Diese Fehlwürfe sind für den Prozess der energetischen Verwertung sehr anstrengend, erklärt der AHE-Geschäftsführer und skizziert das Biomüll-Prozedere: Nachdem der Müll angekommen ist, wird er gewogen, abgekippt und maschinell vorbehandelt, indem die Abfälle zerkleinert und von Störstoffen befreit werden. „Etwa sechs bis zehn Prozent Störstoffe landen im Biomüll. Wir wollen daraus reine Produkte erzeugen. Je mehr Plastik, Glas und Metalle darin jedoch enthalten sind, desto schwieriger ist genau das.“ Ein Trinkglas am Stück könne einfach entnommen werden, Scherben aber nicht.

All das ist aufwendig und kostet enorm viel Geld, das am Ende wieder auf die Müllgebühr eines jeden Einzelnen umgelegt wird. Diese setzt sich - grob gesagt - zur Hälfte aus den Entsorgungs- und Transportkosten der Städte und zur anderen Hälfte aus den Preisen zusammen, die die AHE für ihre Arbeit berechnet. Je aufwendiger diese ist, desto teurer wird die Müllabfuhr für die Bürger.

Johannes Einig, Geschäftsführer der AHE, zeigt den Dünger als Endprodunkt der Kompostierung und Vergärung von biologischen Abfällen.
Johannes Einig, Geschäftsführer der AHE, zeigt den Dünger als Endprodunkt der Kompostierung und Vergärung von biologischen Abfällen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Das nächste teure Problem: Etwa 70 Prozent der Lebensmittelreste landen im Restmüll, mutmaßt Einig. Dort können sie nicht gewinnbringend verwertet werden, gelangen in die Müllverbrennung.

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Sind Kontrollen die Lösung? „Das ist schwer umsetzbar, weil es kaum prüfbar und an Sanktionen gekoppelt wäre“, erklärt der Entsorgungsfachmann. Das könnten diejenigen, die die Tonnen leeren, zudem überhaupt nicht umsetzen. Johannes Einig setzt auf Aufklärung und hofft so, dem reinen Biomüll im EN-Kreis in kleinen Schritten näherzukommen.

„Störstoffe“ wie Plastik, Metall und Glas: Übrigbleibsel nach der Sichtung des angelieferten Biomülls auf dem Gelände der AHE GmbH.
„Störstoffe“ wie Plastik, Metall und Glas: Übrigbleibsel nach der Sichtung des angelieferten Biomülls auf dem Gelände der AHE GmbH. © Angela Hackert-Pflug | Angela Hackert-Pflug