Hattingen. Zwei Jahre nach dem Jahrhundert-Hochwasser steht wieder Wasser im Freizeitdomizil Ruhrtal in Hattingen. Die Anwohner bleiben wachsam.
Diesmal kam das Wasser nicht unerwartet. Anders als beim Jahrhunderthochwasser vor zwei Jahren sind Anwohner und Camper in Ufernähe vorbereitet. Die meisten von ihnen kamen an den Feiertagen mit dem Schrecken davon. Doch für das Wochenende wird erneut Regen angekündigt, und noch stehen die Pumpen nicht still.
Am tiefsten Punkt des Freizeitdomizils Ruhrtal an der Tippelstraße knattert eine Pumpe vor sich hin. Sie steht erhöht auf einem kleinen Anhänger, der Hänger selbst steht im Wasser. Mit ihrer Hilfe wird das angestaute Regenwasser in ein nahegelegenes Biotop gepumpt. Siegfried Tackenberg (73), den hier alle „Pumpen-Siggi“ rufen, sitzt nebendran in einer faltbaren Kabine und hält die Stellung - Tag und Nacht. „Wir machen das hier im Schichtdienst. Ich höre auf dem Ohr schon nichts mehr“, lacht Siggi, zeigt auf sein lädiertes Ohr und nickt in Richtung der knatternden Pumpe.
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Am Mittwochmorgen hat sich die Lage vor Ort stabilisiert, Menschen oder ihr Besitz sind nicht mehr in Gefahr. Schläuche und Wälle aus Sandsäcken zeugen noch von den Anstrengungen der Rettungskräfte, die hier am Montag zu Hilfe geeilt sind.
Erinnerungen an Jahrhundertflut werden wach
Die Anwohner und Camper, die hier leben oder ihre Freizeit verbringen, sind schon vieles gewohnt. Einige von ihnen haben bei der Jahrhundertflut vor zwei Jahren alles verloren. Als das Wasser am Samstag anstieg, kamen die Erinnerungen wieder hoch, sagt Michaela Bings (53). „Es war schrecklich. Wir wurden morgens um 5 Uhr durch Klopfen geweckt und wurden dann evakuiert. Wir hatten eine halbe Stunde Zeit, um einzupacken, was uns lieb und teuer ist“, erinnert sie sich. Michaela lebt mit ihrem Mann Ralf in einem Blockhaus auf dem Gelände des Freizeitdomizils. Die beiden sind in ihren Wohnwagen geflohen. Der steht momentan unweit eines provisorischen Dammes auf dem Parkplatz der Anlage.
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„Sehr beängstigend, sehr frustrierend“, so beschreibt Anwohnerin Doris Kaiser die Situation vor zwei Jahren. Damals sei sie spät gewarnt worden, hatte nur fünf Minuten Zeit, um ihre Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen. Jetzt will man vorbereitet sein: Seit dem Jahrhunderthochwasser vor zwei Jahren hat man sich vor Ort organisiert.
Pegelstand sinkt
„In fünf Tagen fiel im Ruhreinzugsgebiet so viel Regen wie sonst im ganzen Dezember“, teilt der Ruhrverband mit. Zwischen Donnerstag (21. Dezember) und Montag (25.) fielen im Durchschnitt 104 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Das ist so viel, wie in einem durchschnittlichen Dezember.
Ohne den Rückhalt in den Talsperren hätte der Wasserstand am Pegel Hattingen um bis zu 34 Zentimeter höher ausfallen können, so der Ruhrverband. Hier wurde an Heiligabend der höchste Wasserstand von 601 Zentimetern gemessen, dies entspricht einem Durchfluss von 652 Kubikmetern pro Sekunde.
Erst am 27. Dezember sank der Pegelstand deutlich ab - um gut 20 Zentimeter im Vergleich zum Vortag. Tendenz weiter sinkend. (Stand 27.12. um 14 Uhr: 5,67 Meter) Zum Wochenende werden aber neue Regenfälle erwartet.
Der Wasserstand für Hattingen ist zu finden auf den Seiten des Ruhrverbands und seiner Talsperrenleitzentrale.
Es wurden private Pumpen angeschafft und der Besitzer des Campingplatzes habe Sandsäcke anliefern lassen, berichtet Anwohnerin Kaiser. Diese sichern den Bereich um einen Kanal ab, der unter der Isenbergstraße hindurchfließt und die Ruhr mit dem Gelände verbindet. Beim Hochwasser vor zwei Jahren drängte das Ruhrwasser hier durch und überflutete den Platz. Am Wochenende waren es Grund- und Regenwasser, die für einen Einsatz im Freizeitdomizil sorgten.
Einsatzkräfte kommen mit Pumpen und Schläuchen
Rund 60 Einsatzkräfte der Feuerwehr, des THW und der DRLG waren hier im Einsatz. Sie haben kilometerweise Schläuche verlegt, um das angestaute Wasser in die Ruhr abzuleiten. Aus Sicht von Ralf Czerwinski wäre der große Aufwand nicht nötig gewesen. „Wir hatten die Lage gut im Griff, ein einzelnes Fahrzeug der Feuerwehr hätte wohl gereicht“, sagt er.
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Michaela Bings und Doris Kaiser sind anderer Meinung: „Mit haushaltsüblichen Pumpen konnte man nicht viel machen. Als dann die Feuerwehr und das THW mit ihren Pumpen kamen, konnten wir beruhigt schlafen gehen“, sagt Kaiser. Man habe sehen können, wie der Pegel sinkt, ergänzt Bings.
„In der Spitze war es ein bisschen viel, deswegen haben wir hier vor Ort unterstützt, um das steigende Wasser im Griff zu halten“, so Gerd Simon-Bourrée, Komandodienst der Feuerwehr. Er ist am Mittwochmorgen noch für eine Kontrollfahrt gekommen.
Campingplatz an der Kost mit hohen Verlusten
Auf dem Campingplatz an der Kost genießen die Camper zumeist den Blick auf die Ruhr. Doch am Wochenende kam ihnen der Fluss gefährlich nah. „Das Wasser stand bis hier vorne“, sagt der Platzwart. Wäre das Wasser ein paar Zentimeter weiter gestiegen, stünde die kleine Hütte am Eingang des Campingplatzes wohl unter Wasser. Glück im Unglück: Die heute überschwemmte Stellwiese hinter der Rezeption sei bereits vor vier Wochen evakuiert worden, so der Platzwart. Die sei „nass wie ein Schwamm“. Für den Platz ist das ein großer Verlust: „Wir mussten alle Reservierungen für Weihnachten und Silvester stornieren. Die können sie erst Ende Januar wieder betreten.“
Glücklicherweise war es möglich, die Wohnwagen, die sonst auf der betroffenen Wiese stehen, auf dem Parkplatz eines benachbarten Hotels abzustellen. Die letzte Camperin hat den Platz gerade verlassen. „Sonst ist hier niemand mehr“, sagt er.
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