Hattingen. Widerstand in Hattingen: 50 Demonstranten wollen querdenkenden „Spaziergängern“ nicht die Straße überlassen – und zeigen Flagge gegen Rechts.

„Genug ist genug – Schluss mit dem braunen Gegröle“! In Hattingen formiert sich aktuell Widerstand gegen die „Spaziergänger“-Demos am Montagabend. Rund 50 Menschen haben sich diesmal an der Roonstraße versammelt. Zeitgleich treffen sich auch gut 50 Querdenker, schätzt die Polizei.

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Seit knapp zwei Jahren ziehen querdenkende „Spaziergänger“ lautstark durch die Innenstadt und verbreiten ihr Gedankengut. Angefangen haben sie im Dezember 2021 mit etwa 30 Teilnehmern, in der Folgezeit waren dann bis zu 750 mit dabei – viele kommen aus dem Bergischen Land, die wenigsten aus Hattingen selbst. Inzwischen pendelt die Zahl zwischen 50 und 80.

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Demonstration Hattingen gegen Rechts

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Angefangen hat der aktuelle Widerstand mit Brigitte Lümmers Schilderaktion: Die 71-Jährige wünschte sich auch hier eine Aktion wie in der Nachbarstadt – „Sprockhövel hat keinen Platz für Rassismus“ prangt dort auf zehn Schildern am Straßenrand. Nach einer Unterschriftensammlung im März ist klar: Die Schilder kommen – und sind seit September auch da.

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„Wir begegnen Rassismus an vielen Stellen“, stellt Lümmer fest. Deshalb stellt sie sich mit einem breiten Bündnis gegen die „Spaziergänger“, die mit martialischem Getrommel durch Hattingen ziehen. Mitten drin: Lisa Zumbusch. „Da ist eine Bewegung unterwegs, mit der ich nicht konform gehe“, erklärt die 34-Jährige. Deshalb stehe sie am Montag in der Kälte und zeige Flagge. Ein offener Dialog mit den „Spaziergängern“ sei indes nicht möglich. „Man sieht viel Wut.“

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Auch Dirk Schefer von der Lebenshilfe sieht kaum eine Möglichkeit zum Dialog. Deswegen sei es umso wichtiger, sich gegen Rechts zu positionieren. Neben anderen Demonstranten weist auch er darauf hin, dass die „Spaziergänger“ Zulauf aus den Nachbarstädten erhalten. „Die organisieren sich über Telegram.“

Bürgermeister Dirk Glaser ist gekommen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Er macht deutlich, dass die „Spaziergänger“ nicht die Mehrheit der Hattinger repräsentieren würden. Glaser betont die Bedeutung des Demonstrationsrechts, sagt aber auch: „Regeln müssen eingehalten werden.“ Er findet es gut, dass die Gegendemonstranten „den Schwurblern nicht die Straße überlassen“.

Jenny Albers (links) und Brigitte Lümmer bei der Demonstration der Gruppe „Hattingen gegen Rechts“.
Jenny Albers (links) und Brigitte Lümmer bei der Demonstration der Gruppe „Hattingen gegen Rechts“. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Das meint auch der 76-jährige Albert Wagner. Wagner ist nicht gut zu Fuß, stützt sich auf zwei Gehhilfen. Trotzdem steht er am Montagabend hier und findet deutliche Worte für seine politischen Gegner: „Das ist keine Politik, das ist eine Kloake.“ Wagner ist vor einem Jahr nach Hattingen gezogen und war entsetzt vom Erscheinungsbild und den Parolen der „Spaziergänger“. „Trommeln im Dunkeln? Da fehlen nur noch die Pechfackeln.“

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Auch andere Teilnehmer wie Jenny Albers und Dirk Schefer fühlen sich an die NS-Zeit erinnert. Sie tragen einen Auszug aus Bertolt Brechts Kälbermarsch um den Hals: „Hinter der Trommel her trotten die Kälber. Das Fell für die Trommel liefern sie selber.“

„Spaziergänger“ ziehen unter lautem Getöse los

Gegen halb sieben setzt das Getrommel ein. In Sichtweite der Gegendemonstranten haben sich die „Spaziergänger“ vor dem Rathaus versammelt und ziehen unter lautem Getöse los. Die Polizei rund um Einsatzleiter Dietmar Trust steht zwischen den Gruppen und sorgt für Ordnung. Außer den Klagen einiger Gegendemonstranten, die sich von einem Kameramann der „Spaziergänger“ bedrängt fühlen, bleibt es friedlich.

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Nach dem Abzug der „Spaziergänger“ löst Brigitte Lümmer die Gegendemo auf und bedankt sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ob in der kommenden Woche wieder demonstriert wird, wollen die Organisatoren zeitnah bekanntgeben.