Hattingen. Alles andere als unbekannt ist der Angeklagte am Amtsgericht Hattingen. Diesmal wird ihm Körperverletzung und Volksverhetzung zur Last gelegt.

Alles andere als unbekannt ist der Angeklagte am Amtsgericht an der Bahnhofstraße. Mehrfach schon hat er sich vor diesem verantworten müssen, nachdem er nach starkem Alkoholkonsum ausrastete. Auch jetzt sitzt der Hattinger (30) wieder auf der Anklagebank: Körperverletzung, dazu in jeweils zwei Fällen Volksverhetzung und Beleidigung legt ihm die Staatsanwaltschaft zur Last – bei zwei Ereignissen im vergangenen Jahr.

Kokain, Ecstasy, reichlich Wodka und Schnaps bei jenem Kneipenabend intus gehabt

Dass schlimme Äußerungen, auch gegen Geflüchtete, gefallen sind an einem Augustabend in einer Kneipe in Welper und bei einer Begegnung mit zwei jungen Männern, auf die der Angeklagte in einer Oktobernacht am Reschop Carré traf, gibt dieser über seinen Anwalt Gregor Hanisch gleich zu Prozessbeginn zu. Kokain, Ecstasy, reichlich Wodka und Schnaps habe sein Mandant dabei zumindest bei jenem Kneipenabend intus gehabt, so Hanisch.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Hattingen verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. Jeden Abend schicken wir Ihnen die Nachrichten aus der Stadt per Mail zu. +++

Den Kneipenwirt zu Boden gestoßen zu haben, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorhält, verneint sein Mandant aber. Und was den Vorfall am Reschop Carré betrifft, so hätten die zwei Männer, gegen die er schlimme Worte gesprochen und die er beleidigt habe, ihn zuvor beim Urinieren gestört.

Adhäsionsantrag endet mit Vergleich

Einen so genannten Adhäsionsantrag hat der Kneipier infolge seiner Verletzungen durch den Sturz gegen den 30-jährigen Angeklagten gestellt. Bei dem Adhäsionsverfahren handelt es sich dabei um ein Verfahren vor einem Strafgericht, im Rahmen dessen das Opfer zivilrechtliche Ansprüche gegen den Angeschuldigten/Angeklagten geltend macht.

Der Kneipier macht indes klar, dass er auf Schadenersatz verzichten, vom 30-jährigen Angeklagten nur Schmerzensgeld wolle.

In einem Vergleich einigen sich die Parteien schließlich auf 5000 Euro Schmerzensgeld, vom Angeklagten zu zahlen in 100-Euro-Raten. Damit sind alle anderen Ansprüche des Kneipiers an den 30-Jährigen abgegolten.

Das allerdings stellen die beiden als Zeugen geladenen 18- und 19-Jährigen anders dar. „Besoffen“ sei der Angeklagte in jener Oktobernacht gewesen, gänzlich unvermittelt habe er sie auf ihrem Weg Richtung Bahngleis beschimpft. Dann sei plötzlich die Polizei aufgetaucht, doch sie hätten den Angeklagten beide gar nicht anzeigen wollen. „Der wusste ja ganz bestimmt nicht, was er da überhaupt macht“, sagt der 18-Jährige. Der Angeklagte nickt – und entschuldigt sich im Gerichtssaal bei den zweien. „Tut mir leid, Jungs, war nicht so gemeint!“

Angeklagter aus Hattingen erschien schon am Nachmittag in der Kneipe

Kurz darauf wird der Kneipenwirt (60) in den Zeugenstand gerufen, der erzählt, dass der Angeklagte und seine Freundin damals im August erstmals in seiner Kneipe zu Gast gewesen seien – schon am Nachmittag seien sie dort erschienen. Sympathisch sei der Angeklagte ihm zunächst gewesen, sagt der Gastronom, irgendwann dann aber sei es „zu ersten verbalen Entgleisungen“ gekommen. Später dann sei die Stimmung ganz gekippt, aufgeheizt gewesen. Als er selbst schließlich für Ruhe sorgen wollte und auf den Angeklagten zugegangen sei, habe der sich plötzlich zu ihm gedreht und ihn mit seinem Gewicht zu Boden gestoßen. Dann sei der 30-Jährige auch noch auf ihn drauf gefallen – „ich denke, er hat das Gleichgewicht verloren“.

>>> Mehr Nachrichten aus Hattingen und Sprockhövel

Er selbst habe sich durch den Sturz einen Trümmerbruch an der rechten Schulter zugezogen, sei am nächsten Tag an dieser operiert worden. Vollständig bewegen und belasten indes könne er diese bis heute nicht. Doch der 60-Jährige sagt auch, er wisse um die Situation des Angeklagten, verabschiedet sich später gar mit Handschlag von ihm.

Seit März ist der 30-Jährige stationär in psychiatrischer Behandlung

Der sagt später selbst über sein Leben: „Ich habe mich die ganze Zeit über im Kreis bewegt, aber jetzt hat es Klick gemacht, soll es vorwärtsgehen.“ Seit März ist der 30-Jährige dabei stationär in psychiatrischer Behandlung. Seine Bewährungshelferin erklärt, er habe sich endlich eingestanden, dass er immer wieder depressive Episoden habe mit Antriebslosigkeit und dann durch den Konsum von Alkohol gegensteuere. Nachdem er jahrelang vergeblich versucht habe, seine Probleme in den Griff zu bekommen, „scheint sich jetzt etwas zu bewegen“.

>>> Folgen Sie unserer Redaktion auf Facebook – hier finden Sie uns

Dies und eine angenommene verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten lassen Richter Johannes Kimmeskamp schließlich seine verhängte zehnmonatige Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen – trotz zweier weiterer noch laufender Bewährungsstrafen. Schuldig spricht er den 30-Jährigen dabei wegen vorsätzlicher Körperverletzung, zweifacher Volksverhetzung und einer Beleidigung. Und er legt diesem zudem auf, eine schon genehmigte stationäre Therapie wegen seiner Alkoholprobleme durchzuziehen.