Hattingen. Frank Seidel vom Stüterhof aus Hattingen gerät beim Hilfstransport in die Ukraine unter Beschuss. Was genau passiert ist – und was ihn besorgt.
Unter Beschuss ist Frank Seidel bei einer seiner Hilfslieferungen in die Ukraine jetzt geraten. Doch darum bleibt er längst nicht daheim auf dem Stüterhof – sondern fährt wieder und wieder. 25 Mal schon war er jetzt in dem Land, in dem seit einem halben Jahr Krieg herrscht.
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Hilfsgüter hat Frank Seidel in Mengen in die Ukraine gebracht: Verbandsmaterial beispielsweise und Medikamente, die er inzwischen meist in Rumänien kauft, weil sie dort billiger sind. Bei der vorletzten Tour bekam der Anhänger seines Wagens einen Treffer ab. „Wir waren mit vier Wagen unterwegs. Ich fuhr als Vorletzter.“ Ruhig erzählt er das.
Hattingen: Ex-Soldat gerät beim Hilfstransport an die ukrainische Front unter Beschuss
In Panik, sagt Seidel, sei er nicht verfallen. „In solchen Momenten funktioniert man nur, man tritt nicht aufs Gas, sondern versucht herauszufinden, von wo das kommt und dann von da wegzufahren. Wir haben uns sofort ausgetauscht, ob alle ok sind.“
Spenden und Informationen
Wer die Hilfstransporte in die Ukraine unterstützen möchte, kann spenden. Kontakt: An der Egge 85, 0171 11 33 501, E-Mail: kontakt@stueterhof.de. Wer Geld spenden möchte: Das Spendenkonto lautet R.V. Infinitus e.V., Konto DE52 4525 0035 0014 0411 31, BIC WELADED1WTN, Verwendungszweck Ukraine.
Informationen hält Frank Seidel bereit auf Instagram unter dem Namen „seidel1893“ oder auf tiktok unter „frankseidel760“.
Mit Walkie-Talkies verständigte sich die Gruppe untereinander, zu der noch drei Amerikaner und ein Ire gehörten, die der Ex-Berufssoldat von seinem alten Arbeitgeber her kannte. „Wir sprechen Englisch. Der im letzten Auto sagte, dass er mal seine Klimaanlage ausschalte, er habe mehrere Gucklöcher im Wagen“, erinnert sich Seidel. 27 Einschusslöcher zählten die Helfer später. „Wir sind den Russen wohl zu nahe gekommen.“ Die Strecke der Helfer führte vorbei an Lyman, Rubischne, Sjewjerodonesk, Popasna, Nju Jork, Marjinka.
Seidel will wieder an die Front fahren
Die Touren sind gefährlich. „Wir fahren dahin, wo viele Hilfsorganisationen nicht mehr hinfahren.“ An der Grenze irgendwo Hilfsgüter abzugeben, reicht Seidel aber nicht. „Wir sind vorsichtig, passen auf. Passieren kann natürlich immer etwas“, sagt Seidel nüchtern.
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Der Situation begegnet er rational, kühl. Das gelingt ihm angesichts des Elends der Menschen – und auch der Tiere – nicht. Berichtet er davon, lassen die Erinnerungen seine Augen feucht werden.
Elend von Menschen und Tieren treibt Frank Seidel Tränen in die Augen
Für die Menschen, für die verletzten Soldaten fährt er wieder und wieder, nimmt das Risiko auf sich. Weil auch er sich in einer solchen Situation Hilfe wünschen würde. Und bedauert, dass inzwischen Spenden ausbleiben. Dabei werden sie ebenso dringlich gebraucht wie zu Beginn des Krieges.
60 Menschen mit Behinderung möchte er aus dem Donbass holen. Schwierig sei es derzeit, „dort reinzukommen“. Und sowieso: Für Transport, für die Nahrung und Versorgung unterwegs fehlt ihm Geld.
Verbandsmaterial, Schlafsäcke und Babynahrung fehlen
Außerdem braucht er weiterhin Verbandsmaterial, Schlafsäcke und Babynahrung. Für die letzte Tour hatte noch die Gemeinde Winz-Baak gespendet.
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Die mangelnde Spendenbereitschaft führt der Hattinger darauf zurück, dass der Krieg für viele schon zur Gewohnheit geworden ist, dass derzeit die Energiekrise mehr im Mittelpunkt des Interesses steht, die Menschen ihr Geld zusammenhalten.
Neues Projekt soll Spendenbereitschaft erhöhen
Seidel hat sich ein Projekt einfallen lassen, um doch noch irgendwie Betuchte zum Spenden zu animieren: Mit entsprechenden Stellen in der Ukraine will er es möglich machen, dass Interessierte den Titel eines Offiziers der Nachschubeinheit der ukrainischen Armee erhalten können. „Sie haben keine Befehlsgewalt, erhalten aber eine Urkunde, eine Uniform, ein Messingschild mit dem Patent des Projekts und an der ukrainischen Grenze Diplomatenstatus. Sie bekommen in regelmäßigen Abständen einen Newsletter. Auch einen Ansprechpartner soll es in Deutschland für diese Menschen geben. Die Armee sagt dann, was sie braucht, die Offiziere geben Geld“, so Seidel. Eine Genehmigung fehle noch für das Projekt, dann könne es losgehen.