Hattingen. Für WAZ-Leser öffneten sich die Pforten des LWL-Industriemuseums Henrichshütte in Hattingen – mit besonderen Einblicken in die Hüttengeschichte.
133 Jahre lang wurde auf der Henrichshütte in Hattingen Roheisen produziert. 153 Minuten erhalten zehn WAZ-Leserinnen und -Leser (plus Begleitung) nun ausgewählte Einblicke in dieses spannende Kapitel der Industriegeschichte des Ruhrgebiets. Und besuchen auf dem Gelände des LWL-Industriemuseum auch Orte, die der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich sind.
„Weiße Schuhe? Sie sind aber optimistisch!“
Beim Blick in die Runde begrüßt Lars Friedrich, Gästeführer des Museums, die Teilnehmenden der WAZ-öffnet-Pforten-Aktion mit einem leichten Schmunzeln: „Weiße Schuhe? Sie sind aber optimistisch!“ Ganz so schmutzig wird es dann aber doch nicht. Jedenfalls nicht für die, die mit etwas Vorsicht über das Museumsgelände des ehemaligen Hütten-Betriebsgeländes gehen, das einst 1,3 Millionen Quadratmeter umfasste und heute zu weiten Teilen als Gewerbe- und Landschaftspark genutzt wird.
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2500 Menschen arbeiten heute hier, so Friedrich. Zum Vergleich: Die Hütte gab in ihren Hochzeiten 10.000 Arbeit. Gegründet wurde sie anno 1854. Ihren Namen erhielt sie auf Anregung des ersten Hüttendirektors Karl Roth nach dem Grafen Henrich zu Stolberg-Wernigerode (der verstarb, kurz bevor das erste Roheisen produziert wurde). 1855 dann wurde der erste Hochofen angeblasen, 1987 wurden die letzten zwei ausgeblasen, gibt Gästeführer Friedrich eine kurze Einführung in die Hüttengeschichte.
Um die WAZ-öffnet-Pforten-Teilnehmenden sodann in die Schaugießerei zu führen. „Das ist der einzige Bereich, in dem heute noch die Funken fliegen. Und wenn Sie mögen, können Sie hier auch noch selbst arbeiten.“ Ein Angebot, das unter anderem der Gelsenkirchener Heinz Urbainski (68) nur zu gern nutzt – „das wollte ich einfach immer schonmal machen“. Unter Anleitung von Peter Breuker vom Förderverein Industriemuseum Henrichshütte fertigt er sich seinen ganz persönlichen Hüttentaler – aus Aluminium. Formen, Schmelzen, Gießen: Im Kleinen werden so nicht nur für ihn die Arbeitsschritte des großen Gießens erfahrbar. „Allerdings ist das flüssige Aluminium nur rund 650 Grad Celsius heiß. Das Roheisen dagegen kam mit etwa 2000 Grad aus dem Hochofen“, erklärt Lars Friedrich.
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Und weiter geht’s – zur Möllerung. „Möllern heißt dabei so viel wie mischen“, sagt Friedrich. „Auf der Hütte wurden etwa 650 verschiedene Stahlsorten produziert, dafür brauchte man neben Erz verschiedene Zusatzstoffe.“ Die Rohstoffe wurden dabei in so genannten Materialbunkern, in den Ruhrhang geschlagenen Erztaschen, gelagert. Bei Bedarf für die Produktion wurden sie auf Förderbänder gekippt, die in unterhalb der Erzbunker errichteten Räumen installiert waren. Und dann per Möllerwagen, einer Art Eisenbahn, zum Hochofen transportiert.
„Ist fast wie in der Atta-Höhle hier“
Ein paar Ahs und Ohs entfahren den Pfortengästen, als Friedrich sie mitnimmt in diesen dunklen, nassen Bereich. Und als sie zuvor Keller 8 durchschreiten, einen Verbindungstrakt, der zwischenzeitlich für kulturelle Veranstaltungen ausgebaut worden war – „aber wegen der klimatischen Bedingungen nun nicht mehr genutzt wird. Es tropft einfach zu stark von der Decke“, so Friedrich. „Wäre auch ein prima Raum zur Weinlagerung“, regt Volker Goese (62) aus Mülheim daraufhin an, ehe einige ein paar Fotos von den (Mini)-Stalagmiten und Stalaktiten schießen. „Ist fast wie in der Atta-Höhle hier“, scherzt einer.
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Dann geht’s in die Höhe, genauer gesagt die Stahltreppe hinauf zum Windenhaus neben dem Hochofen 3. Von hier aus wurden einst die so genannten Hunte auf dem Schrägaufzug am Hochofen bewegt: viereckige, oben offene und mit Rädern versehene Materialgefäße. Im Leitstand des Windenhauses steht noch ein verstaubter Bürostuhl, auch die komplexe Elektrikanlage ist zu sehen – und dass Tauben sich diesen Teil der Hütte erobert haben, zu dem normalerweise keine Besucherin, kein Besucher Zugang hat.
Was auf dem Hochofen selbst anders aussieht. Mit dem Aufzug geht es hinauf auf Ebene 3, der Gichtebene. „Hier wurde zum einen das Material in den Hochofen eingegeben“, sagt Friedrich. Und zum anderen das Gichtgas, ein brennbares gefährliches Produkt, das beim Erschmelzen von Roheisen entsteht, über Rohre abgeleitet. „Sehr interessant“ findet nicht nur die Duisburgerin Monika Nix (72) diese Führung. „Ich war bestimmt nicht zum letzten Mal hier. Und ich finde es sehr wichtig, dass einem solche Industriegeschichte nahe gebracht wird.“
Doch noch ist diese Pfortenaktion ja nicht zu Ende. Nicht fehlen schließlich darf ein Blick auf die Gießhalle. „Alle zwei Stunden“, sagt Gästeführer Friedrich, „wurde hier Roheisen abgestochen. Bei uns hieß es früher dann immer: Jetzt geht wieder die Thyssen-Sonne auf.“
Henrichshütte, Werksstraße 31, Hattingen. Öffnungszeiten, Eintrittspreise und weitere Infos gibt es im Internet unter henrichshuette@lwl.org. Kontakt: 02324 9247-140