Hattingen. Stets hat Pfarrer Frank Schulte die Johannes-Kirchengemeinde aufgefordert, auch ohne ihn auszukommen. Jetzt muss sie es: Er geht nach Wuppertal.

Das war das schönste Kompliment für Pfarrer Frank Schulte von der Evangelischen Johannes-Kirchengemeinde. „Du hast uns allen immer beigebracht, ohne dich zu leben“, sagte ein Mitglied der Gemeinde. Das müssen die Gläubigen jetzt auch. Denn Mittwoch, der 20. April, ist der letzte Arbeitstag des 54-Jährigen in Hattingen. Er wechselt auf eigenen Wunsch nach Wuppertal.

Obwohl er zugibt, dass es ihm unglaublich schwerfällt. „Ich liebe diese Gemeinde, das Arbeiten hier hat so viel Spaß gemacht.“ Knapp 21 Jahre ist es her, dass der gebürtige Sauerländer seine erste Stelle in Hattingen antrat. Nach einer Probezeit in Bredenscheid und Sprockhövel ging er in die Südstadt und konnte dort zusammen mit den aktuell 2600 Gemeindegliedern viel umsetzen, wie er sagt.

Auch in Hattingen wird Kirche immer mehr zu einer Ehrenamtskirche

3990 Gläubige zählte die Johannes-Kirchengemeinde vor langer Zeit, auch hier wird der Mitgliederschwund deutlich. In den 1950er-Jahren, erzählt Schulte, kamen viele Flüchtlinge aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen. „Bis heute sind die Menschen hier bodenständig, sie haben keinen Dünkel und haben bei all’ den Veränderungen immer mitgezogen.“

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Längst werde ja deutlich, dass Kirche immer mehr zu einer Ehrenamtskirche wird. Da könne er auf viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter zurückgreifen. Auch die Jugend sei sehr aktiv dabei.

Klare Kante zeigen, und doch moderieren und zusammenführen: Pfarrer Frank Schulte hier 2019 mit Katrin Bartels beim Bürgerbegehren Südstadt zum Lkw-Verkehr.
Klare Kante zeigen, und doch moderieren und zusammenführen: Pfarrer Frank Schulte hier 2019 mit Katrin Bartels beim Bürgerbegehren Südstadt zum Lkw-Verkehr. © Funke Foto Services GmbH | Walter Fischer

Weil Frank Schulte Veränderungen liebt, hat er in den vergangenen Jahren die Gemeinde umgebaut, hat viel investiert. „Die Fenster des Gemeindehauses sind neu, wir haben viel in den ökologischen Umbau gesteckt und drei große Solaranlagen installiert. So sind wir mittlerweile autark, was die Gas- und Stromversorgung angeht, und müssen jetzt nicht unnötig viel Geld ausgeben.“

Es gibt keinen Hausmeister und keinen Küster

Schon in den vergangenen Jahren seien Strukturen eingespart worden. Es gibt keinen Hausmeister und keinen Küster. „Hier muss niemand mehr antanzen, um solche Arbeiten zu erledigen.“ Da ist im Hinblick auf die knappen Finanzen viel umgebaut worden.

Lange hat sich Frank Schulte Gedanken gemacht, ob er noch einmal ganz neu startet. Dann hat ihn die Stelle, die für die berühmte Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen ausgeschrieben war, doch sehr gereizt.

Der Pfarrer ist nicht der Chef

Freiheit sei für ihn immer „total wichtig“ gewesen, sagt Pfarrer Frank Schulte. Jemanden etwas selbst machen zu lassen und nachher negativ zu kritisieren, das geht für ihn gar nicht. Man könne dann mit Rat zur Seite stehen, wenn es nicht gelungen ist, und zusammen überlegen, wie es besser geht. Für ihn war in der Gemeindearbeit immer oberstes Ziel: Der Pfarrer ist nicht der Chef, er muss nicht vorne stehen.

Bevor der Schottlandfan mit seiner Frau und dem anderthalbjährigen Border Collie Connor nach Wuppertal zieht – was noch ein Weilchen dauern wird – gibt’s noch einen offiziellen Abschiedsgottesdienst am Sonntag, 22. Mai um 15 Uhr.

„Es gibt dort insgesamt 8000 Gemeindeglieder aus ursprünglich vier Gemeinden, und ich würde gerne noch einmal Neues ausprobieren und mitgestalten.“ Dort gehöre die Gemeinde zum Rheinland, in Hattingen zu Westfalen. Die Kirchentradition sei ganz anders. Er weiß das, weil er in Wuppertal, Tübingen und Bochum studiert hat und die Unterschiede kennt. „Außerdem haben sie schon Fusionen hinter sich und kennen das.“

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In Hattingen seien solche Umbrüche noch im Anfangsstadium, aber es gehe in dieser Richtung rasant weiter. Denn zurzeit gebe es in Hattingen zusammen mit Nieder- und Obersprockhövel noch zwölf Pfarrer. „Neun davon gehen in den nächsten Jahren in Ruhestand“, sagt Schulte. Und auf viel Nachwuchs zurückgreifen könne die Kirche nicht. „Das wird noch große Probleme geben.“

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Auch für die Johannes-Kirchengemeinde werde die Zukunft nach seinem Weggang viele Neuerungen bringen. „Ich verdanke der Gemeinde so viel. Sie hat mich gehalten, wenn es mir schlecht ging. Ja, es fällt mir schwer. Aber man muss auch loslassen können.“ Es sei für ihn immer wichtig gewesen, dass die Mitglieder auch ohne ihn leben können. Der Pfarrer ist zuversichtlich: „Das werden sie schaffen.“