Hattingen. Es gibt mehr Stellen als Bewerber. Aber viele Jugendliche in Hattingen haben noch keine Lehre. Die Gründe und beliebte freie Ausbildungsplätze.

Die Chancen, eine Ausbildungsstelle zu finden, stehen für junge Menschen im Ennepe-Ruhr-Kreis gut. Statistisch gesehen kommen auf jeden Bewerber sogar 1,29 Stellen, teilt die Agentur für Arbeit in Hagen mit. Dennoch sind viele Jugendliche noch unversorgt – dabei gibt es sogar in gesuchten Berufen viele freie Stellen.

Mehr Bewerber und deutlich mehr freie Stellen

Knapp 1600 freie Ausbildungsstellen haben die Unternehmen der Arbeitsagentur gemeldet. Das ist ein deutliches Plus von fast 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Jugendlichen, die eine Ausbildungsstelle suchen, wieder gestiegen – auf mehr als 1400.

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Klingt nach einer Situation, in der alle Suchenden versorgt werden könnten. Dennoch sind in der Zwischenbilanz des schon im vergangenen Herbst gestarteten Ausbildungsjahres aktuell noch etwa 750 Bewerber im EN-Kreis unversorgt und mehr als 970 Stellen frei.

Falsche Selbsteinschätzung einiger Jugendlicher

Beim Blick auf die Auswertung der Agentur für Arbeit fällt auf: Es sind nicht die falschen Berufe, in denen Stellen zu besetzen sind. Im Gegenteil: Gesuche und Angebote decken sich in großen Teilen. Rein rechnerisch könnten – blickt man allein auf die zehn beliebtesten Berufe und die dazugehörigen Ausbildungsangebote – mindestens 320 Jugendliche in ihrem Wunschberuf unterkommen.

Hattingen: Berufe mit den meisten freien Ausbildungsplätzen

Die Agentur für Arbeit listet die Top 10 der beliebtesten Ausbildungsberufe der noch unversorgten Bewerber im Ennepe-Ruhr-Kreis auf. Auf Platz 1: Kaufmann/-frau Büromanagement Platz 2: Verkäufer/inPlatz 3: Kfz-Mechatroniker/inPlatz 4: Medizinische/r Fachangestellte/rPlatz 5: Verwaltungsfachangestellte/rPlatz 6: Fachinformatiker/inPlatz 7: Industriekaufmann/-frauPlatz 8: Kaufmann/-frau Einzelhandel Platz 9: Automobilkaufmann/-frauPlatz 10: Immobilienkaufmann/-frauUnd das sind die Berufe, in denen es derzeit (Stand 14. April 2022) noch die meisten gemeldeten freien Ausbildungsstellen im Ennepe-Ruhr-Kreis gibt:Kaufmann/-frau im Einzelhandel (87)Verkäufer/in (77)Industriekaufmann/-frau (75)Kaufmann/-frau Büromanagement (75)Medizinische/r Fachangestellte/r (71)Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r (57)Zerspanungsmechaniker/in (51)Industriemechaniker/in (51)Mechatroniker/in (48)Kfz-Mechatroniker/in (47)

Warum es dennoch oft nicht passt zwischen Bewerber und Unternehmen, erklärt Ulrich Brauer, Sprecher der Arbeitsagentur Hagen: „Es handelt sich um die sogenannten Passungsprobleme“, sagt er. Bedeutet: Manche Jugendliche hätten sich zwar für bestimmte Berufswünsche vormerken lassen, bringen aber nicht die nötigen Voraussetzungen dafür mit. Damit seien eine falsche Selbsteinschätzung hinsichtlich der Eignung für einen Beruf, Schulnoten und Verhalten beim Vorstellungsgespräch ebenso gemeint wie „keine oder zu späte konkrete Bewerbungsbemühungen“, erklärt Brauer.

Verzögerungen bei der Ausbildung durch Pandemie

Auch bei den Ausbildungsbetrieben kann es Verzögerungen geben: Wenn sie sich viel Zeit bei der Stellenvergabe lassen oder Stellen erst sehr spät melden. Und manche, räumt der Agentursprecher ein, hätten eventuell auch zu hohe Anforderungen.

Bei allem wirkt die Pandemie als Bremse. Berufsorientierungen waren erschwert oder fielen ganz aus, Praktika waren vielfach nicht möglich. Mit der landesweiten Aktion „Praktikum Jetzt!“ wurde die Möglichkeit geschaffen, das nachzuholen. „Damit sind wir jetzt auf einem guten Weg, aber haben noch viel Luft nach oben. Trotz der Besserung konnten erst fast 22 Prozent aller Bewerber einen Ausbildungsvertrag unterschreiben“, räumt Katja Heck, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Hagen, ein.

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Kontakt für Jugendliche und Arbeitgeber

Jugendliche, die sich beruflich orientieren möchten, können sich jederzeit bei der Berufsberatung kostenfrei melden unter: 0800 4 5555 00. Arbeitgeber können jederzeit freie Arbeits- und Ausbildungsplätze kostenfrei melden unter: 0800 4 5555 20. Hier können sie auch Beratung zu Förderleistungen erhalten.

Viele warten aktuell auf die Unterzeichnung. Einige Bewerber tauchten in der Statistik auch nur als unversorgt auf, „weil sie auf die Ergebnisse ihrer Bewerbungen lange warten müssen“, erklärt Brauer: „Durch Verunsicherungen und spätere Bemühungen und Festlegungen auf beiden Seiten verzögert sich der Ausgleich auf dem Ausbildungsmarkt im Vergleich zu früheren Jahren um mehrere Monate. Die normalen Ausbildungsbeginn-Termine 1. August und auch noch 1. September werden immer weniger als Deadline gesehen, was auch sinnvoll ist.“

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