Hattingen. Eine Familie aus Hattingen hat eine aus der Ukraine Geflüchtete und deren Kinder privat aufgenommen. Warum die Hilfe an Grenzen stößt, was folgt.

Als der Krieg zurückgekehrt ist nach Europa, haben Diana Feldmann und ihr Mann nicht lange gezögert. Als Gastfamilie für aus der Ukraine Geflohene haben sie sich unter „# unterkunft ukraine“ registriert, seit vier Wochen nun lebt die vierköpfige Familie mit einer Ukrainerin und deren drei minderjährigen Kindern in einem gut 100 Quadratmeter großen Haus in Hattingen-Niederwenigern zusammen. Doch diese Zeit endet nun – die Feldmanns sind als Gastfamilie an ihre Belastungsgrenze gestoßen.

Eine traumatisierte Frau, die mit den drei Kindern geflohen ist

Drei, zehn und zwölf Jahre alt sind die Kinder von „Jeanna“ – so jedenfalls nennt die 31-Jährige ihren ukrainischen Gast. Eine traumatisierte Frau, die mit den zwei Söhnen und der Tochter geflohen ist aus Schytomyr in der Ukraine, rund 150 Kilometer von der Hauptstadt Kiew entfernt.

„Immer wieder weinen muss Jeanna angesichts der schrecklichen Situation in ihrer Heimat“, erzählt Diana Feldmann. Sie versuche das zwar zu verbergen, aber sie und ihr Mann bekämen es dennoch mit.

Via Internet-Übersetzer gelingt ein Mindestmaß an Austausch

Allzu viel über die Hintergründe hätten sie bislang indes nicht erfahren von Jeanna. Zumal sie sich miteinander auch nicht auf Englisch verständigen können, denn diese Sprache spricht Jeanna nicht. Via Internet-Übersetzer gelinge immerhin ein Mindestmaß an Austausch. So wissen die Feldmannns etwa, dass Jeanna so schnell wie möglich wieder nach Hause will.

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Auch dass die Ukrainerin „sehr, sehr schlimme Erlebnisse zu verarbeiten hat derzeit“, ist Diana Feldmann sehr wohl bewusst. Zumal sie ihr und ihrem Mann regelmäßig erschreckende Fotos zeigt vom Kriegsgeschehen in der Ukraine, die der dort zurückgebliebene Ehemann Jeanna regelmäßig aufs Handy schickt. „Was wir hier im Fernsehen vom Ukraine-Krieg zu sehen bekommen, ist nichts gegen diese Fotos, die in ihrer Grausamkeit erinnern an die jetzt bekannt gewordenen Gräueltaten in Butscha“, sagt Diana Feldmann.

„Was wäre, wenn Jeannas Mann plötzlich nicht mehr ans Handy geht...?“

Regelmäßig überfordert fühle sie sich in solchen Momenten, „ich habe ja keine psychologische Ausbildung“. Und sie fügt hinzu: „Was wäre erst, wenn Jeannas Mann plötzlich nicht mehr ans Handy geht...? Ich wüsste wirklich nicht, was wir dann machen sollten.“

Jeanna, Pawel, Aleksandr und Aliona aus der Nähe von Kiew (v. li.) sind vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet. Bei ihrer Gastfamilie in Hattingen-Niederwenigern haben sie bislang vier Wochen gewohnt, die Verständigung lief über einen Internet-Übersetzer.
Jeanna, Pawel, Aleksandr und Aliona aus der Nähe von Kiew (v. li.) sind vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet. Bei ihrer Gastfamilie in Hattingen-Niederwenigern haben sie bislang vier Wochen gewohnt, die Verständigung lief über einen Internet-Übersetzer. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Auch die Tatsache, dass nun plötzlich acht statt vier Personen zusammen unter ihrem Dach leben, letztlich Fremde plötzlich Küche, Bad, Wohn- und Kinderzimmer mitbenutzen, sei „nicht leicht. Wir haben überhaupt keine Privatsphäre mehr“. Solidarisch zu sein mit den Ukrainerinnen und Ukrainern, sei ihr und ihrem Mann „eine Herzensangelegenheit“, betont Diana Feldmann. „Aber auf Dauer so zusammenzuleben, das schaffen wir emotional nicht.“

Bislang kein Ausgleich für die entstehenden Mehrkosten

Zudem sei die Familie auch finanziell „nicht wahnsinnig gut aufgestellt“. Und die Stadt habe ihnen bislang keinen Ausgleich für die entstehenden Mehrkosten – etwa durch den gestiegenen Strom- und Wasserverbrauch – in Aussicht gestellt.

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Mehrfach schon hätten sie bei der Verwaltung nach einer alternativen Unterbringung von Jeanna und ihren drei Kindern gefragt, „doch angeboten hat man uns tagelang nur, die vier in eine Sammelunterkunft zu bringen. Das aber wollen wir ihnen nicht zumuten.“

Stadt: Anfragen sind keine Seltenheit

Eine WAZ-Nachfrage bei der Stadt Hattingen ergab: Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, die wie Familie Feldmann aus der Ukraine Geflüchtete privat aufgenommen haben und nun alternative Unterbringungsmöglichkeiten suchen, sind keine Seltenheit.

Die Stadt, sagt Jessica Krystek von der städtischen Pressestelle, erhalte derzeit eine Vielzahl solcher Anfragen. „Eine genaue Zahl kann leider nicht genannt werden“.

Die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter erfolge „sowohl in Gemeinschaftsunterkünften als auch in angemieteten Wohnungen. Geflüchtete, die nicht mehr bei Privatpersonen verbleiben können, werden durch die Stadt Hattingen untergebracht. Ein Anspruch auf eine bestimmte Wohnform besteht allerdings nicht“, sagt Sprecherin Jessica Krystek.

Das Haus Bredenscheid sei aktuell mit 41 Geflüchteten „voll besetzt“. In der Nierenhofer Straße seien „im Moment 50 Personen untergebracht. Dort ist Platz für insgesamt 150 Personen. Ca. 20 Wohnungen sind angemietet“.

Was einen finanziellen Ausgleich für die Mehrkosten (Wasser, Strom, etc.) betrifft, die Privatpersonen durch ihre Aufnahme Geflüchteter entstehen, so sagt Jessica Krystek: „Das Verfahren für den finanziellen Ausgleich wird derzeit noch abgestimmt.“

Plötzlich aber geht alles ganz schnell: „Jeanna und ihre Kinder“, so Diana Feldmann, „können laut Stadt ab sofort in eine Wohnung in Niederwenigern ziehen. Wir freuen uns alle“, sagt sie. Und dass sie „trotz aller Anstrengungen wieder Kriegsflüchtlinge auf Zeit bei sich aufnehmen würden“.