Hattingen. Die Psychologischen Beratungsstelle des EN-Kreises meldet in der Corona-Pandemie stark ansteigende Zahlen. Wie Kinder hier gefördert werden.

Distanz-Unterricht, fehlende technische Ausstattung, unterschiedliche Qualität bei der Betreuung: Dass sich Corona auch auf die schulischen Leistungen auswirken kann, hat viele Gründe und ist ein längst bekanntes Problem. Vor allem Kinder mit Lernschwächen sind davon besonders betroffen.

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Nora Hardt ist Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle des Ennepe-Ruhr-Kreises.
Nora Hardt ist Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle des Ennepe-Ruhr-Kreises. © HO

„Eine individuelle Förderung ist für diese Jungen und Mädchen entscheidend“, sagt Nora Hardt. Sie leitet kommissarisch die Psychologische Beratungsstelle des Ennepe-Ruhr-Kreises und kümmert sich mit ihrem Team um genau diese Kinder. Sie sagt, dass der Bedarf an Unterstützung größer geworden sei. Die Durchschnittsdauer der Förderung liegt bei eineinhalb Jahren, aktuell ist sie auf bis zu zwei Jahre verlängert worden.

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Kwelle statt Quelle, Bahn ohne h, ein und dasselbe Wort in immer anderer Schreibweise: Das sind die Fehler, die die Mitarbeiter der Psychologischen Beratungsstelle am meisten zu Gesicht bekommen. Aktuell werden wöchentlich etwa 170 Kinder gefördert. Das Angebot sei stadtübergreifend für alle Kinder im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis.

Ab der zweiten Klasse bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres

„Generell sind bei uns alle Altersstufen ab der zweiten Klasse bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres vertreten“, erklärt die Erziehungswissenschaftlerin. Ein Großteil der Kinder befinde sich jedoch im Grundschulalter, was von großem Vorteil sei, da die Hilfe früh greifen könne. Doch auch bei älteren Schülerinnen und Schülern zeige das Förderkonzepte gute Resultate.

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Meist seien es die Lehrerinnen und Lehrer, die die Eltern auf die Schwächen der Kinder aufmerksam machen und an die Beratungsstelle verweisen würden. Der Bedarf an Unterstützungsleistungen steige seit der Gründung der Einrichtung im Jahr 2005 stetig, aber besonders jetzt gehe die Zahl der Neuanmeldungen nach oben.

Anmeldezahlen sind in den vergangenen Wochen gestiegen

„Seit die Kinder wieder in den Schulen sind und die Lehrer sie wieder besser im Blick haben“, erklärt Nora Hardt. Im Jahr 2017 wurden 168 Kinder angemeldet, zwei Jahre später waren es schon 261. „In den vergangenen Wochen ist die Zahl noch einmal angestiegen“, sagt die Einrichtungsleiterin.

Tipps gegen eine Leseschwäche bei Kindern

Was Kindern mit Leseschwäche hilft? „Viel lesen.“ Das sei zwar ein Kraftakt, aber hier zahle sich Durchhaltevermögen aus, meint Nora Hardt von der Psychologische Beratungsstelle des Ennepe-Ruhr-Kreises.

Besonders schön sei es, wenn Kinder wieder Spaß am Lesen entwickeln: „Jeden Tag zehn Minuten Lesen bringt enorme Fortschritte.“

Nora Hardt gibt Tipps, wie Eltern das Lesen in den Alltag der Kinder integrieren können: Abends als feste Routine Texte anschauen, gemeinsam Straßenschilder lesen, Verpackungen am Frühstückstisch lesen. Wichtig sei die Kinder nicht zu überfordern, „Druck sollte nicht ausgeübt werden“. Kinder hätten ein natürliches Interesse zu lesen. Ziel sei, es das zu unterstützen.

„Die ganzen pandemiebedingten Einschränkungen und Veränderungen waren und sind für die allermeisten Kinder und Jugendliche sehr belastend“, weiß die Erziehungswissenschaftlerin. Viele Kinder seien von den Lehrerinnen und Lehrern gut betreut worden, andere berichten, dass sich das Online-Lernen darauf beschränkte, Arbeitsblätter abzuarbeiten. Hinzu kommen unterschiedliche familiäre Unterstützungssysteme.

„Schule ist viel mehr als ein Ort zum Wissenserwerb“

Fest steht: „Durch den fehlenden persönlichen Kontakt konnten die Lehrkräfte die Kinder nicht so differenziert begleiten, wie das im Unterricht normalerweise möglich ist. Der fehlende soziale Kontakt zu Gleichaltrigen hat sich nach unserem Eindruck als sehr belastend ausgewirkt, der Schulbesuch hingegen stabilisierend auf das Selbstwertgefühl und die Stimmungslage.“ Schule sei viel mehr als ein Ort zum Wissenserwerb.

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Die Leitung der Psychologischen Beratungsstelle betont: „Umfassende Lese- und Schreibfähigkeiten, sowie eine orthografische Sicherheit, sind für eine erfolgreiche Teilnahme an der Arbeitswelt und gesellschaftliche Teilhabe wichtig. Die generelle Fähigkeit zu schreiben, hat ihrer Meinung nach nicht abgenommen: „Durch die Nutzung der Handys auch in Familien wird sicher weniger mit der Hand geschrieben, andererseits schreiben die Kinder doch auch über die sozialen Medien. Einige Kinder und Jugendliche haben beispielsweise bewusst die Korrekturfunktion bei Messengerdiensten eingestellt, sodass sie merken, wenn sie etwas falsch geschrieben haben und finden das sehr hilfreich.“