Hattingen. Modegeschäfte in Hattingen wollen die Heizungen nicht drosseln, damit die Kunden bei der Anprobe nicht frieren. Friseurin legt Geld zurück.

Die Energiepreise schießen seit einigen Monaten durch die Decke. Privat- wie Geschäftsleute sind alarmiert. Die Stimmung bewegt sich zwischen Wut und Resignation, „weil man ja zum Teil gar nicht die Möglichkeit hat, darauf zu reagieren“, sagt die Inhaberin der Modeboutique Dilara, Sara Yigit.

So sehen es auch viele Passanten. Sie verdrehen bei dem Thema nur noch die Augen. „Mal eben ein Elektroauto kaufen, wie soll das denn gehen?“ fragen viele.

Die Menschen ziehen sich zum Anprobieren um

Sara Yigit kennt die vielfältigen Probleme. Sie hat die Tür ihres Geschäftes meistens offen, damit „die Leute sehen, dass sie willkommen sind.“ Sie weiß, dass sie bei dem alten Haus nicht nur zur Tür hinaus heizt, sondern viel Energie über die einfach verglasten Fenster und den eiskalten Keller verloren geht. „Aber die Heizung herunterdrehen, geht gar nicht“, sagt sie. „Die Menschen ziehen sich zum Anprobieren um. Da kann ich es doch nicht kalt haben.“

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Außerdem sei es keine Lösung, den Privatwagen zu Hause stehen zu lassen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. „Die Preise für Bahn und Bus sind richtig hoch und ständig sind irgendwelche Strecken außer Betrieb. Ganz abgesehen von der Zeit, die man benötigt, um von zu Hause zur Arbeit zu kommen. Das geht alles überhaupt nicht.“

Mit satten Nachzahlungen ist zu rechen

Auf heftige Steigerungen der Energiepreise sollte man sich rechtzeitig einstellen. Denn im kommenden Jahr müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher mit satten Nachzahlungen rechnen. Davon geht der Deutsche Mieterbund aus. Für das Heizen mit Öl rechnet er mit einer Teuerungsrate von mehr als 40 Prozent.

Schon gegenüber dem Jahr 2020 wurde Erdgas um 13 Prozent teurer. Aber auch bei Heizarten, die bisher immer als empfehlenswert beurteilt wurden, zeigen die Preispfeile nur nach oben. Die Kosten für Fernwärme erhöhten sich um neun Prozent, für Wärmepumpen um sieben und für Holzpellets um drei Prozent, rechnet der Mieterbund vor.

Entspannter dagegen ist Ronald Bruder, Inhaber der gleichnamigen Boutique in der Altstadt. Er heizt seine Räume mit Strom, der im Sommer kühlt und im Winter wärmt. Der größte Batzen am Strompreis seien ja Steuern, sagt er. „Die Politik will jetzt die Umlage für die erneuerbare Energie senken. Ich hoffe, dass die Strompreise dann etwas niedriger werden.“

Elektrowagen gekauft

Davon geht Andrea Rudolph, Mitinhaberin der Potteery, nicht aus. „Vielleicht steigen sie nicht so dramatisch wie bisher.“ Sie hält schon seit einiger Zeit mit geeigneten Maßnahmen gegen die Preissteigerung an. „Wir haben hier überall LED-Lampen eingesetzt und heizen nur, wenn wir Workshops haben. Ansonsten ziehen wir uns dicker an, sonst sind die Energiekosten für die insgesamt 200 Quadratmeter hier nicht zu bezahlen.“

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Was sie wirklich beschäftigt, sind die Kosten für die beiden Starkstrom-Brennöfen, in der die Keramik gebrannt wird, die die Workshop-Teilnehmer liebevoll bemalt haben. Die steigenden Kosten werde sie natürlich irgendwie umlegen müssen. Privat hat sie schon reagiert. Sie fährt einen Elektrowagen mit einem Radius von 400 Kilometern, mit dem sie sehr zufrieden ist und hat geleaste Solarzellen auf dem Dach.

Nur noch einmal in der Woche zum Großeinkauf

Sauer und verärgert über die Entwicklung auf dem gesamten Energiemarkt ist Friseurin Karin T. „Ich fürchte schon jetzt die enorme Nachzahlung im nächsten Jahr für Heizkosten. Aus dem Grunde lege ich jeden Monat 50 Euro zurück, damit mich nicht der Nachzahlhammer kalt erwischt“, erklärt sie. Seit einiger Zeit fährt sie nur noch einmal in der Woche zum Großeinkauf, damit sie nicht bei den „irrsinnigen Benzinpreisen“ zu oft ihren Wagen bewegen muss.

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Von ihren Kunden weiß sie, dass sich viele einen Urlaub mit dem Flugzeug auf Dauer abgeschminkt haben. Die Flüge seien viel zu teuer geworden.