Hattingen. Im Mittelpunkt der Emanzenexpress-Veranstaltung im Industriemuseum standen feministische Geschichten der Stadt aus den 1980er und 90er Jahren.
„Wir müssen uns selber finden, aber nicht immer alles neu erfinden“: Unter diesem Leitslogan machte der „Emanzenexpress“ jetzt Halt im LWL-Industriemuseum in Hattingen. Anlass bot die aktuelle Kunstinstallation „Geister“, die die Fraueninitiative und Protestbewegung der Hüttenfrauen in den 1980er Jahren in Szene setzt. Mit rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – zum Großteil Frauen – führten die Initiatorinnen Eva Busch und Julia Nitschke mit Unterstützung von Anja Junghans vom LWL-Industriemuseum durch den Nachmittag.
Im Mittelpunkt der Emanzenexpress-Veranstaltung im Industriemuseum standen feministische Geschichten der Stadt aus den 1980er und 1990er Jahren. Es gab Gespräche über Arbeiterinnengeschichten, Streik und Widerstand von den 1980ern bis heute sowie Performances und gemeinsames Kennenlernen auf dem Programm. Zurück geht das feministische Projekt auf eine zweimonatige Ausstellung im Jahr 2019 im Bochumer Atelier Automatique, in dessen Mittelpunkt feministische Erinnerungen der Stadt aus den 1980er und 1990er Jahren standen.
Industriekultur aus der Frauenperspektive
„Die Industriekultur ist männerzentriert und dabei wird häufig vergessen, wie groß und weitreichend auch die Rolle der Frau ist und war“, sagte Anja Junghans. Als Agentin für Diversität am LWL-Industriemuseum ist es ihre Aufgabe, diese Vielfalt zu zeigen und zu fördern. „Mit dem Halt vom Emanzenexpress schaffen wir genau das – die Frauenperspektive zu zeigen.“
Und das lockte viele Zeitzeuginnen und ehemalige Lokalaktivistinnen in den Vorraum der Gebläsehalle. Zu ihnen gehörten auch die Sprockhövelerinnen Beatrix Kroll und Sylvia Zimmermann. Seite an Seite mit vielen anderen Hüttenfrauen standen sie 1987 aus Protest gegen die drohende Hüttenschließung vor den Toren der Henrichshütte. „Ich bin damals aus Solidarität mitgegangen“, erinnerte sich Beatrix Kroll. „Keiner schiebt uns weg! Mit diesem Lied haben wir uns damals auf der Bühne an Thyssen gewandt!“
Froh, dass Geschichte der Hüttenfrauen nicht vergessen wird
Die drohende Schließung des Stahlwerks bewegte eine ganze Generation und vereinte Frauen aller Schichten, ein Großteil ihrer Familien bezog ihr Einkommen durch die Hütte. „Nicht nur mein Mann hatte seinen Job hier, auch mein Sohn absolvierte auf der Hütte seine Lehre“, so Sylvia Zimmermann. „Für mich war es selbstverständlich, dass ich mitkämpfen wollte und genau deswegen freue ich mich, dass unsere Geschichte nicht vergessen wird.“
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Die Protestaktionen von damals waren laut und deutlich. Als Geister verkleidet liefen die Hüttenfrauen im Jahr 1987 mehrfach durch Hattingen, sorgten mit dem Slogan „Macht Thyssen uns die Hütte platt, wird Hattingen zur Geisterstadt“ für Aufsehen.
Weiteres zu Projekt und Ausstellung
Zu Gast beim „Emanzenexpress“ im Industriemuseum war auch Jutta de Jong, die in den späten 1980er Jahren mit dem Projekt „Kinder, Küche, Kohle und viel mehr!“ erstmals Bergarbeiterfrauen in den Fokus gesetzt hatte. Ein Teil ihrer damals zusammengetragenen Erzählungen wurde nun mit dem Anwesenden erneut gelesen.Die Kunstinstallation „Geister“ ist noch bis zum 30. Dezember im Vorraum der Gebläsehalle des Industriemuseums, Werksstraße 31-33, zu sehen. Sie ist Teil einer ursprünglich dreiteiligen Ausstellung, die von der Akademie der Küste der Welt in Köln ausgestellt wurde.
Gemeinsam mit den Besucherinnen und Besuchern herauszubekommen, was in Hattingen an feministischer Geschichtsarbeit stattfindet, wie wir alle von dem lernen können, was einmal an widerständiger Praxis erprobt wurde, darum ging es in Anknüpfung an jene Jahre nun Eva Busch und Julia Nitschke mit dem „Emanzenexpress“.
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Neben einem gemeinsamen Austausch führte Rita Sieberg durch die Kunstinstallation „Geister“, bevor das Protestlied „Keiner schiebt uns weg – Biz kovulma yiz – Ninguém nos tira daqui“ von der brasilianischen Schauspielerin Lidiane Ribeiro mit den Aktionsteilnehmern auch auf Portugiesisch eingeübt wurde.