Hattingen. Die landesweite Erkältungswelle hat bereits die ersten Kitas in Hattingen getroffen. Wieso die Kinder krank werden und warum das sogar gut ist.

Verklebte Rotznasen und rasselnder Husten in Kinderkehlen – Kitas und Kindergärten berichten von einer heftigen Erkältungswelle, die kleine Mädchen und Jungen reihenweise erwischt. Ein landesweites Phänomen, das langsam auch in Hattingen ankommt.

Hälfte der Kinder bleibt krank zu Hause

„Bei uns ist die Hälfte der Kinder krank im Moment“, berichtet Judith Brückner, stellvertretende Leiterin der Elterninitiativ-Kita Wolkenzimmerhaus. Ungewöhnlich, selbst für eine Erkältungswelle: „Dass sie alle gleichzeitig krank sind und zu Hause, das kommt nicht so häufig vor“, meint Brückner.

Mittlerweile sei es die zweite Woche der Erkältungswelle, Brückner hofft auf ein Ende in der kommenden. Bislang habe es auch erst eine ihrer Kolleginnen erwischt. „Bis jetzt – toi, toi, toi.“

Erkältungen sonst erst im November

In der Awo-Kita Regerstraße ist man derweil froh, dass es die Erkältungswelle noch nicht bis dorthin geschafft hat. „Dass wir davon verschont bleiben, glaube ich aber nicht“, meint Kita-Leiterin Alina Hinz. Für gewöhnlich beginne die Erkältungszeit in der Einrichtung erst im November.

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„Die Hygienemaßnahmen, die wir wegen Corona immer noch einhalten, tragen vielleicht auch dazu bei, dass die Erkältungswelle noch nicht da ist“, glaubt Hinz. Denn in den letzten anderthalb Jahren seit Pandemiebeginn gebe es generell weniger Fälle von Mädchen und Jungen mit typischen Kinderkrankheiten – nicht nur Erkältungen, auch Magen-Darm-Infekte und Bindehautentzündungen seien kaum vorgekommen.

Nachholeffekt des lernenden Immunsystems

Tatsächlich hat die jetzt grassierende Welle der Atemwegserkrankungen bei den Kita-Kindern etwas mit genau diesen verpassten Infekten zu tun, so erläutert Michael Achenbach, Pressesprecher des für Hattingen zuständigen Landesverbands Westfalen-Lippe des Berufsverbands für Kinder- und Jugendärzte: „Es ist ein Nachholeffekt des lernenden Immunsystems.“

Schlimm sei das aber nicht, im Gegenteil. „Die Kinder brauchen diese Infekte, um ihr Immunsystem lernen zu lassen“, so Achenbach. Und noch etwas Positives kann er aus dem Effekt ableiten: „Wir wissen jetzt, dass die Coronaschutzmaßnahmen wirken. Es ist so, dass wir im Frühjahr keine Grippewelle hatten.“

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In Schulen und Kitas werden Erreger schnell weitergegeben

Ein zweijähriges Kind habe in seinem ersten Kita-Jahr statistisch bis zu 17 Infekte, erläutert Achenbach. Zwölf bis 13 davon seien Atemwegsinfekte. Diese aber fallen – eben wegen des noch nicht so geübten Immunsystems – viel mehr auf als bei Erwachsenen, weil sie häufiger mit Fieber einhergehen.

Dass es jetzt, da die Kinder sich nach den Sommerferien wieder in den Einrichtungen treffen, vermehrt zu Infekten kommt, wundert ihn gar nicht. Denn in Schulen und Kitas werden die Erreger schnell weitergegeben: „Wir kennen das von den typischen Sommerinfekten.“ Oder auch von Kopfläusen.

Auch Allergien eine Folge untrainierter Immunsysteme

Nicht nur die plötzliche Welle an Atemwegsinfektionen ist eine Folge der coronabedingten Kontaktarmut. Sie könnte auch zig weitere Allergiker zur Folge haben, erklärte der Lungenfacharzt Michael Behn jüngst im Gespräch mit dieser Redaktion. „Denn das Immunsystem der Bürger wurde zuletzt ja sehr wenig trainiert.“

Überhaupt hätten Allergien in den letzten Jahren deutlich zugenommen – nicht zuletzt, weil viele Kinder heutzutage „zu steril“ aufwüchsen.