Hattingen. Corona verschlechtert die Situation von Demenzkranken. Es kam sogar schon zu einem Polizeieinsatz in Hattingen, weiß die Alzheimer Gesellschaft.

Menschen mit einer Demenzerkrankung fallen in der Corona-Zeit „hinten runter“, bedauert Pia Grebe, Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft Hattingen und Sprockhövel e.V. Vielen Menschen mit dieser Erkrankung ginge es „sehr schlecht“. Sie berichtet, warum sie in der Öffentlichkeit derzeit Probleme bekommen und wie die Pandemie die Situation für Betroffenen verschlechtert.

„Es ist wirklich furchtbar“, sagt auch Elke Vohwinkel, Vorstandsmitglied des Vereins. Kurz vor der Pandemie hatte die Alzheimer Gesellschaft eine Ankergruppe für Menschen mit einer beginnenden Demenz ins Leben gerufen, für Menschen, die frisch die Diagnose erhalten haben. „Dann kam die komplette Schließung aller Angebote. Das war eine Katastrophe“, sagt Pia Grebe.

Situation von Menschen mit Demenz verschlechtert sich in der Corona-Zeit

Nur wenige der Betroffenen, die damals über die Ankergruppe erreicht wurden, haben sich auf ein Anschreiben noch zurückgemeldet. Der Verein denkt inzwischen sogar über Hausbesuche nach. „Aber ob sie die Tür öffnen, steht in den Sternen“, sagt Pia Grebe. Stillstand bestimmt wegen Corona auch das Projekt des Netzwerkes Demenz, zu schauen, wie Menschen im Quartier geholfen werden kann.

Über die Alzheimer Gesellschaft

Die Alzheimer Gesellschaft Hattingen und Sprockhövel e.V. arbeitet zusammen mit KoPS (Kontaktbüros Pflegeselbsthilfe).

Informationen über den Verein an der Oststraße 1 gibt es im Internet unter www.alzheimer-hsp.de. Kontakt: Telefonisch unter 02324 - 685 620, per E-Mail an info@alzheimer-hsp.de

DieGedächtnis-Sprechstunde finden statt. Pia Grebe von der Alzheimer Gesellschaft appelliert, sich frühzeitig anzumelden – und nicht erst, wenn die Not der Betroffenen schon groß ist.

Für Menschen mit Demenz bedeuteten Wegfall und Veränderung der Angebote in der Pandemie, dass „die äußere Struktur komplett weggebrochen ist. Dabei brauchen sie die äußere Struktur, weil die innere verloren geht.“ Wöchentliche Physio- und Ergotherapie, ein Einkaufstag, regelmäßige Kontakte – alles das ist weg. Alte, eingeschliffene Wege sind für Betroffene inzwischen teils nicht mehr möglich, sie müssen außerdem in der Innenstadt eine Maske tragen – was sie nicht verstehen und deshalb auch teils nicht tun. Das führt zu Auseinandersetzungen.

Demenzkranker verursacht Polizeieinsatz in der Innenstadt

„In Hattingen hat es deshalb schon einen Polizeieinsatz gegeben“, sagt Pia Grebe – und appelliert an die Nachsicht der Bürger, wirbt um Verständnis und dafür, genauer hinzuschauen. „Menschen mit Demenz sieht man die Erkrankung nicht an, sie können sich gut tarnen.“ Halte ein solcher Mensch nicht den erforderlichen Abstand, „kann man ja selbst den Abstand vergrößern“.

Verschiedene Karten des Kartenspieles „Bewergung aktiv“ zeigen Aktivitätskombinationen zur alltäglichen Anwendung. Die Übungen helfen nicht nur Menschen mit Demenz, Geist und Körper fit zu halten, sondern sind sinnvoll für jeden, so die Alzheimer Gesellschaft Hattingen und Sprockhövel, die dieses Kartenspiel auch Ehrenamtlichen und Angehörigen als Anregung zur Beschäftigung Demenzkranker mitgibt.
Verschiedene Karten des Kartenspieles „Bewergung aktiv“ zeigen Aktivitätskombinationen zur alltäglichen Anwendung. Die Übungen helfen nicht nur Menschen mit Demenz, Geist und Körper fit zu halten, sondern sind sinnvoll für jeden, so die Alzheimer Gesellschaft Hattingen und Sprockhövel, die dieses Kartenspiel auch Ehrenamtlichen und Angehörigen als Anregung zur Beschäftigung Demenzkranker mitgibt. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

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Grebe richtet den Blick auch auf die Probleme von pflegenden Angehörigen, für die der zwischenzeitliche Wegfall der Tagespflege bedeutete, keine Entlastung mehr zu haben, keine freien Stunden. „Ich habe von einigen, die in der Tagespflege arbeiten, auch gehört, dass sie die Menschen, nachdem wieder in Kleingruppen geöffnet werden durfte, teilweise nicht wiedererkannt hätten.“ So sehr hätten die Betroffenen abgebaut in der Corona-Zeit.

Beratungsgespräche der Alzheimer Gesellschaft dauern in der Pandemie länger

Aufgrund der Pandemie dauern die Beratungsgespräche der Alzheimer Gesellschaft inzwischen deutlich länger. „Es sind viel mehr psychosoziale Gespräche. Manchmal beginnen die Angehörigen zu weinen, weil sie völlig fertig sind – und ich kann ihnen derzeit nicht mal einen Strohhalm bieten.“

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In Kleingruppen sind in den Vereinsräumen an der Oststraße inzwischen wieder Angebote möglich. Doch viele scheuen aus Angst vor einer Infektion die Teilnahme. Zu vielen Betroffenen versuchen die Mitarbeiter telefonischen Kontakt zu halten. „Aber sie am Telefon zu Bewegungsübungen zu motivieren, ist kaum möglich. Manche können auch gar nicht mehr telefonieren.“

Bewegung ist für Menschen mit Demenz enorm wichtig

Dabei ist Bewegung für Betroffene so wichtig. „Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen körperlicher Bewegung und der Funktion der grauen Zellen“, sagt Grebe. Schon einfache Übungen wie Schulterkreisen, das Imitieren der Bewegung des Rückenabtrocknens mit einem Handtuch können helfen – oder ein Spaziergang „um den Pudding“. Das könnten beispielsweise auch Ehrenamtliche übernehmen – in einer 1:1-Betreuung auch in der Corona-Zeit. „Dafür suchen wir dringend Freiwillige“, so Pia Grebe.