Hattingen. Maria Posinger aus Hattingen leidet unter der chronischen Fettverteilungsstörung Lipödem. Sie kämpft um eine dringend erforderliche Operation.

„Diese Erkrankung hat mein Leben komplett verändert, es beeinflusst alle Lebensbereiche negativ, ich bin auch nicht mehr arbeitsfähig“, sagt Maria Posinger. Sie leidet seit nunmehr 20 Jahren unter der chronischen Fettverteilungsstörung Lipödem, die fast ausschließlich bei Frauen auftritt.

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Mindestens drei Millionen Frauen sind von Lipödem betroffen

„Los ging es bei mir mit der Pubertät, ich trug obenrum XS und untenrum Konfektionsgröße 40.“ Nach der Schwangerschaft kamen Schmerzen in den Armen und Beinen hinzu: „Es wurde sehr, sehr druckempfindlich, oftmals hatte ich riesige blaue Flecken und keine Ahnung, wo die herkamen.“

Durch die Erkrankung sammelt sich Lymphflüssigkeit im Gewebe, die die Druckempfindlichkeit und Schmerzen hervorruft, das erfuhr sie 14 Jahre nach den ersten Symptomen. Da war Posinger 27 Jahre alt, ihre Diagnose: Lipödem Typ 4, Stadium II.

Maria Posinger aus Hattingen ist wegen ihrer Erkrankung arbeitsunfähig, sie muss Morphium nehmen.
Maria Posinger aus Hattingen ist wegen ihrer Erkrankung arbeitsunfähig, sie muss Morphium nehmen. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

„Zuerst war da Erleichterung, dass das Kind nun einen Namen hat, dann fiel ich in ein tiefes Loch, weil die Kassen die OP-Kosten von 20.000 Euro in der Regel nicht übernehmen, wie sie im Behandlungskatalog als Kassenleistung schlicht nicht vorgekommen ist.“ Dabei ist die laut Experten weniger erfolgreiche konservative Therapie mit Kompressionswäsche, manueller Lymphdrainage und Schmerzmedikamenten für die Kassen viel teurer.

Laut einem Bericht des NDR von 2019 zahlen die Kassen dafür in einem Zeitraum von zehn Jahren bis zu 103.000 Euro – die OP liegt bei einem Fünftel. Und: Die konservative Therapie helfe laut Posinger und anderen Betroffenen kaum.

Arbeitsunfähig und 20.000 Euro ansparen: ein Ding der Unmöglichkeit

Nach einer weiteren Verschlechterung im Jahr 2019 sei sie arbeitsunfähig und täglich auf 50 bis 70 Milligramm Morphium plus bis zu acht 500er-Novalgin-Tabletten angewiesen. „Wenn die Krankenkasse nicht bald einlenkt, schlittere ich in die nächste Katastrophe: eine Morphium-Abhängigkeit.“

Das Geld für die Operation anzusparen sei für die arbeitsunfähige Bürokauffrau ein Ding der Unmöglichkeit. Zurzeit bekommt sie Krankengeld, das soll aber demnächst eingestellt werden. „Ich habe deshalb Existenzängste, dabei will ich arbeiten, nur kann ich nicht.“

Zwei Wochen im Monat sei es besonders schlimm, nämlich während ihres Zyklus. Haare kämmen oder Socken selbstständig anziehen seien dann schlicht unmöglich. „Aufgrund des hormonellen Zusammenhangs wollte ich mir sogar die Gebärmutter entfernen lassen, aber ich habe trotz langer Suche keinen Arzt dafür gefunden“, so die 33-Jährige.

„Liposuktion ist der einzige Weg für diese Patientin“

„Die Patientin ist austherapiert und weder Lymphdrainagen noch Kompressionswäsche helfen ihr nachhaltig“, so ihr Hausarzt Dr. Heinz Hilden, „die Liposuktion ist der einzige Weg, womit sie wieder arbeitsfähig wird und ihre Lebensqualität zurückerlangt.“

Seiner Meinung nach könne ihre Krankenkasse sehr wohl die benötigte Liposuktion nach Einzelfallentscheidung bewilligen, „aber es sieht nicht so aus, dass sie dazu gewillt sind.“

Spendenaktion auf Vorschlag des Hausarztes gestartet

Denn auch Posingers zweitem OP-Antrag wurde nicht stattgegeben und auch ihr Widerspruch brachte bisher keinen Erfolg. Ihre Krankenkasse habe außerdem verlangt, dass sie bei der Rentenkasse einen Reha-Antrag einreicht, der jedoch nicht bewilligt wurde.

Lipödem: Experten vermuten eine hohe Dunkelziffer

Laut Gesundheitsministerium waren 2019 etwa drei Millionen Frauen in Deutschland von Lipödem betroffen – Experten vermuten eine hohe Dunkelziffer.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung meldete im Dezember 2019, dass ab Januar 2020 – vorerst befristet bis 2024 – Liposuktion bei Lipödem des Stadium III von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Auch schwere Fälle des Stadium I und II werden daher bisher nicht berücksichtigt.

Weitere Informationen zu Maria Posingers Fall und ihre Spendenaktion finden sich auf: www.betterplace.me/mit-33-auf-dem-weg-zum-pflegefall

„Begründung: Mein Gesamtzustand lässt es nicht zu und die Reha hätte keine Erfolgsaussichten, ein Klinikaufenthalt – sprich die Liposuktion – sei stattdessen angezeigt, nur interessiert das meine Krankenkasse nicht.“

Sie möchte nun für die Operation kämpfen, im Zweifel auch jahrelang vor dem Sozialgericht, auch wenn sie aufgrund der zuletzt rapiden Verschlechterung das Gefühl habe, dass ihr die Zeit wegrennt. „Ich möchte einfach endlich wieder arbeiten können und würdevoll leben.“ Auf Vorschlag ihres Hausarztes hat sie deshalb eine Spendenaktion ins Leben gerufen. „Der Zuspruch der Menschen und auch die Spenden – in einer Woche 1000 Euro – haben mir Mut gemacht.“

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