Hattingen. Der virtuelle Rosenmontagszug fährt seit 15.11 Uhr per Video durch die Wohnzimmer von Hattingens Karnevalisten.
Die Kostüme sind angezogen, die Gesichter geschminkt und das Konfetti steht bereit: Holti-Holau! Nur vor die Tür ging es für die Karnevalisten und Karnevalsfans aus Hattingen in diesem Jahr nicht. Stattdessen kam der Holthauser Rosenmontagszug virtuell, über das Handy oder den Computer, in die Wohnzimmer der Jecken.
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Virtueller Zug zieht über die traditionelle Zugstrecke
Pünktlich um 15.11 Uhr hat der Aktivenkreis Holthauser Rosenmontagszug das Video des Online-Zugs hochgeladen. Und das beginnt – genau wie der richtige Zug – an der Hermannstraße mit einem dreifachen Holti-Holau. Vereinsvorsitzender Thomas Behling in Holti-Holau-Jacke und karnevalistischer Kopfbedeckung begrüßt die digitalen Zuschauer „zum diesjährigen ausgefallenen Rosenmontagszug, der natürlich nicht ausfällt“.
Auch der Holti selbst ist natürlich mit von der Partie. Da es aber kein Volk gibt, unter das er sich hätte mischen, und keinen Mottowagen, von dem er hätte Kamelle werfen können, fährt der Clown allein in einem gelben Kleinwagen durch die Straßen Holthausens. Im Hintergrund singen die „Höhner“: „Jetzt geht’s los, wir sind nicht mehr aufzuhalten“ – ein Lied, das seit über 20 Jahren zum Karneval gehört. In der besonderen Corona-Session aber auch die Weigerung der Karnevalisten unterstreicht, sich durch die Umstände stoppen zu lassen.
Karnevalisten sind kreativ geworden
Ein Großteil der rund 70 Hattinger Karnevalisten ist kreativ geworden und hat sich mit kleinen Videoschnipseln am virtuellen Jeckentross beteiligt. Das Motto der Corona-Session: „Ist die Session auch etwas leise, der Holti feiert auf seine Weise.“
So sind kleine Wagenmodelle zu sehen – manche aus Pappe gebastelt, manche umfunktionierte Spielzeugautos, die mit Lego-Figürchen bemannt durch Konfetti fahren. Manche Familie hat sich als Fußgruppe oder mit improvisiertem Mini-Wagen auf den Weg gemacht und sich an einsamer Straße, Kamelle-werfend gefilmt – so wie Christian Laux und seine Lieben.
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„Die haben wir natürlich wieder aufgesammelt und einen Teil davon haben meine Kinder und ich auch schon verspeist“, verrät der Familienvater, der aus dem eingesandten Videomaterial in rund acht mühsamen Stunden den finalen, zehnminütigen Kurzfilm erstellt hat. Angesehen wird das Ergebnis mit der ganzen Familie – und zwar pünktlich um 15.11 Uhr, kostümiert im dekorierten Wohnzimmer. „Meine Frau hat sich geweigert, ihn vorher anzugucken“, erzählt Christian Laux.
Neben diesen Beiträgen sind auch einige alte Aufnahmen dabei – aus besseren Tagen. So ist der Fanfarenzug zu sehen, wie er den Zug musikalisch begeleitet, wie Hunderte von Verkleideten auf den Straßen Holthausens Karneval feiern oder wie der Holti die Massen zu „Holti-Holau“-Rufen animiert.
Jecken freuen sich schon auf die nächste Session
Zwischenzeitlich sind immer wieder die verwaisten Straßen der Zugstrecke zu sehen, an denen sich Karnevalisten in vollem Ornat positioniert haben, „Holti-Holau“ rufen und Sponsorenbanner hochhalten. Ihre Unterstützung sei in diesem Jahr besonders wichtig gewesen, erläutert Thomas Behling. Beispielsweise hätten die Prinzenpaare, die dann doch nicht proklamiert wurden, bereits ihr Ornat angeschafft und auch Orden waren längst produziert worden, noch bevor klar war, dass sämtliche Veranstaltungen ausfallen mussten.
Den Abschluss des Zugs macht ein Spielzeug-Krankenwagen, der mit Blaulicht und Lego-Jecken-Besatzung über das Laminat eines unbekannten Flures fährt. Ein Plakat am Heck sagt: „Auf Wiedersehen am 28. Februar 2022 beim 45. Rosenmontagszug in Hattingen-Holthausen.“ Die Hattinger Jecken blicken also optimistisch in die kommende Session. Davon zeugt auch die letzte Sequenz des Films. Sie zeigt den Holti, einsam eine Straße entlang gehend. Der Clown dreht sich um und verspricht: „Heute ist nicht aller Tage – ich komm wieder, keine Frage. Bis bald.“